Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall
denselben Weg an der östlichen Flanke von Kelvins Steinhügeln zurück, den sie gekommen waren. Von Osten wehte unablässig ein staubiger Wind, der sie mit feinen stechenden Sandkörnern angriff, als sie an der ungeschützten Felswand entlangzogen. Obwohl die grelle Sonne besonders an Drizzts Kräften zehrte, behielt er sein scharfes Tempo bei und machte keine Rast.
Am späten Nachmittag, als sie endlich um einen südlichen Ausläufer bogen, waren sie zwar erschöpft, aber gutgelaunt.
»Im Schutz der Minen habe ich völlig vergessen, wie umbarmherzig der Tundrawind sein kann!« lachte Wulfgar.
»Wir werden am Rand des Tals ein wenig Schutz finden«, sagte Drizzt. Er klopfte auf die leere Wasserflasche an seiner Seite. »Komm, ich weiß, wo wir die Flaschen auffüllen können, bevor wir weiterziehen.«
Er führte Wulfgar nach Westen zu den südlichen Hängen. Der Dunkelelf kannte ganz in der Nähe einen eiskalten Bach, der mit geschmolzenem Schnee vom Gipfel von Kelvins Steinhügel versorgt wurde.
Der Bach plätscherte fröhlich über die Steine. Vögel schnatterten und krächzten bei ihrem Kommen, und ein Luchs schlich lautlos davon. Alles schien so, wie es sein sollte. Von dem Augenblick an, wo sie auf einem großen, flachen Felsen standen, auf dem Wanderer normalerweise ihr Lager aufschlugen, spürte Drizzt jedoch, daß etwas Schreckliches passiert war. Er bewegte sich zögernd und suchte nach greifbaren Beweisen, die seinen Verdacht bestätigen würden.
Wulfgar dagegen legte sich bäuchlings auf den Felsen und tauchte sein verschwitztes und verstaubtes Gesicht in das kalte Wasser. Als er den Kopf hob, war in seine Augen der Glanz zurückgekehrt, als habe das eiskalte Wasser ihm die Lebenskraft zurückgegeben.
Aber auf einmal fielen ihm dunkelrote Flecken auf dem Felsen auf, und er folgte ihrer blutigen Spur zu einem Stück Haut, das an der scharfen Kante eines Steins direkt über dem reißenden Bach hängengeblieben war.
Als geübte Spurenleser stellten Drizzt und Wulfgar bald fest, daß erst vor kurzer Zeit an dieser Stelle ein Kampf stattgefunden hatte. Das krause Haar auf dem Hautfetzen ließ sie an einen Bart denken, und sie brachten es sofort auch mit den Zwergen in Verbindung. Nicht weit entfernt fanden sie Spuren, die der Größe nach von drei Riesen stammen mußten. Nachdem sie einer geraden Spur gefolgt waren, die nach Süden zu einer sandigen Fläche führte, stießen sie bald auf zwei flache Erdhügel.
»Bruenor ist es nicht«, sagte Drizzt grimmig, nachdem er die beiden Leichen untersucht hatte. »Es sind jüngere Zwerge — Bundo, der Sohn von Fellhammer, und wahrscheinlich Dourgas, der Sohn von Argo Bitterklinge.«
»Wir müssen sofort zu den Minen gehen!« drängte Wulfgar.
»Später«, erwiderte der Dunkelelf. »Wir müssen zuvor noch mehr darüber in Erfahrung bringen, was sich hier zugetragen hat, und heute abend werden wir wohl die beste Gelegenheit dazu haben. Waren diese Riesen Banditen, die rein zufälllig vorbeikamen, oder verstecken sie sich etwa hier in dieser Gegend? Gibt es hier vielleicht noch mehr von diesen abscheulichen Bestien?«
»Bruenor sollte informiert werden«, wandte Wulfgar ein.
»Das wird er auch«, beruhigte ihn Drizzt. »Aber falls diese drei wirklich noch hier sind, was ich vermute, da sie sich die Zeit genommen haben, ihre Opfer zu begraben, werden sie auf der Suche nach weiterem Spaß vielleicht bei Einbruch der Nacht zurückkommen.« Er lenkte Wulfgars Blick gen Westen, wo den Himmel bereits die rosafarbenen Schatten des Zwielichts färbten. »Bist du für einen Kampf bereit, Barbar?«
Mit einem entschlossenen Knurren nahm Wulfgar Aegisfang von der Schulter und schlug mit dem adamantenen Griff auf seine freie Handfläche. »Wir werden sehen, wer heute abend Spaß findet.«
Sie versteckten sich hinter einem Findling südlich von dem flachen Felsen und warteten, bis die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war und die Schatten länger wurden.
Sie brauchten nicht lange zu warten, denn die gleichen Verbeeg, die in der Nacht zuvor die Zwerge getötet hatten, hatten wieder als erste die Höhle verlassen und suchten eifrig neue Opfer. Bald bahnten sie sich krachend ihren Weg an den Hängen entlang und erreichten schließlich den flachen Felsen neben dem Bach.
Wulfgar wollte unverzüglich angreifen, aber Drizzt hielt ihn zurück, bevor er ihr Versteck preisgeben konnte. Auch der Dunkelelf wollte die Riesen töten, aber zuerst wollte er herauszufinden
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