Die vergessenen Welten 05 - Der magische Stein
weniger als einer Stunde hatte Entreri ihr Zimmer gesichert und zwei Schläger gedungen, die über Regis wachen sollten, während der Meuchelmörder einigen Erledigungen nachging.
»Zeit für deine zweite List?« fragte er Regis verschlagen, bevor er aufbrach. Er sah auf die zwei Schläger, die an der gegenüberliegenden Wand des Zimmers standen und in eine alles andere als intelligente Unterhaltung über die angeblichen Vorzüge einer ortsansässigen ›Dame‹ vertieft waren.
»Du könntest dich an ihnen vorbeischleichen«, flüsterte Entreri Regis zu.
Der wandte sich ab, da ihm der makabre Humor des Meuchelmörders unverständlich war.
»Aber vergiß nicht, mein kleiner Dieb, wenn du erst einmal draußen bist, dann bist du auf der Straße — im Schatten der Gassen, wo du keine Freunde findest und wo ich auf dich warten werde.« Mit einem bösartigen Kichern wirbelte er herum und fegte durch die Tür.
Regis sah auf die beiden Schläger, deren Unterhaltung sich inzwischen zu einem hitzigen Streit gesteigert hatte. Genau in diesem Augenblick hätte er sicher unbemerkt das Zimmer verlassen können.
Mit einem resignierten Seufzer ließ er sich aufs Bett fallen und legte unbeholfen seine Hände hinter den Kopf. Der Schmerz in der einen Hand erinnerte ihn deutlich an den Preis für seinen Mut.
* * *
Baldurs Tor war in zwei Bezirke aufgeteilt: die untere Stadt mit den Hafenanlagen und die obere Stadt hinter der inneren Mauer, wo die bedeutenderen Bürger lebten. Die Stadt war durch das stürmische Handelswachstum an der Schwertküste allmählich aus allen Nähten geplatzt. Die alte Mauer bildete eine nützliche Grenze zwischen den Matrosen auf der Durchreise und den Abenteurern einerseits und den alten Familien des Landes auf der anderen Seite. »Von der Mitte aus in alle Richtungen«, hieß ein bekanntes Sprichwort, das sich auf die ungefähr gleiche Entfernung der Stadt zu Tiefwasser im Norden und Calimhafen im Süden bezog, den zwei größten Städten an der Schwertküste.
In der allgemeinen Geschäftigkeit und Unruhe, die so eine geographische Lage mit sich brachte, erregte Entreri wenig Aufmerksamkeit, als er sich durch die Gassen zur Innenstadt bewegte. Er wollte zu einem Verbündeten, einem mächtigen Zauberer namens Oberon, der ebenfalls ein Mitarbeiter von Pascha Pook war. Entreri wußte, daß Oberon Pook treu ergeben war und daß der Zauberer mit dem Vorsteher der Diebesgilde in Calimhafen unverzüglich in Verbindung treten würde, um ihn über die Sicherstellung des Anhängers und Entreris bevorstehende Rückkehr zu informieren.
Aber Entreri kümmerte es wenig, ob Pook über sein Kommen informiert wurde oder nicht. Sein Ziel war Drizzt Do'Urden, der ihm folgte, und nicht Pook, der auf ihn wartete. Der Zauberer konnte ihm allerdings hilfreich sein, um ihn über den Verbleib seiner Verfolger in Kenntnis zu setzen.
Nach einem Besuch, der sich bis zum Nachmittag hinzog, verließ Entreri Oberons Turm und machte sich auf den Weg zum Hafenmeister, da bei ihm das Treffen mit dem Kapitän des Handelsschiffes aus Calimhafen stattfinden sollte. Entreris Gesichtsausdruck hatte seine entschlossene Zuversicht wiedergewonnen. Er hatte den unglücklichen Zwischenfall der vorherigen Nacht schon fast vergessen, und alles verlief wieder reibungslos. Er befingerte den Rubinanhänger, als er die Hütte erreichte.
Eine Woche Verzögerung war zu lang.
* * *
Regis war kaum überrascht, als Entreri spät am Abend in das Zimmer zurückkehrte und verkündete, daß er den Kapitän des Schiffes aus Calimhafen ›überzeugt‹ habe, daß er seinen Zeitplan ändern müßte. Sie würden in drei Tagen in See stechen.
Nachwort
Wulfgar zog und zerrte an den Seilen und versuchte, das Hauptsegel im lauen Seewind gebläht zu halten, während die Mannschaft der Seekobold ihm erstaunt zusah. Die Strömung des Chionthar trieb gegen das Schiff, und ein vernünftiger Kapitän hätte normalerweise geankert und einen günstigeren Wind abgewartet, um es in den Hafen zu bringen. Aber Wulfgar leistete unter der Anleitung eines alten Seemannes namens Mirky hervorragende Arbeit. Die Anlegestellen von Baldurs Tor waren in Sicht, und die Seekobold würde bald unter dem Jubel von einigen Dutzend Matrosen, die das imposante Manöver beobachteten, in den Hafen segeln können.
»Ich könnte zehn von ihm in meiner Mannschaft gebrauchen«, sagte Kapitän Deudermont zu Drizzt.
Der Dunkelelf lächelte. Auch ihn verblüffte die Kraft seines jungen
Weitere Kostenlose Bücher