Die vergessenen Welten 06 - Der ewige Traum
will«, sprach Dondon Drizzt an, um eine entspanntere Situation zu schaffen.
Drizzt nickte, sagte aber nichts. Etwas war seltsam an dieser merkwürdigen Begegnung.
»Ich stehe auf der Seite von niemandem«, flehte Dondon wieder Bruenor an, da bei Drizzt nichts zu erreichen war. »Ich tue wirklich nur, was ich unbedingt tun muß, um zu überleben.«
»Und um jetzt zu überleben, wirst du uns einen sicheren Weg hinein verraten«, verlangte Bruenor.
»Das Haus ist eine Festung«, gab Dondon mit einem Schulterzucken zu bedenken. »Kein Weg ist sicher.« Bruenor näherte sich ihm mit einem noch finsteren Gesicht.
»Aber wenn ich hineinkommen müßte«, platzte der Halbling heraus, »dann würde ich es durch die Kanalisation versuchen.«
Bruenor sah zu seinen Freunden hinüber.
»Das klingt vernünftig«, bemerkte Wulfgar.
Drizzt musterte den Halbling einen Augenblick länger und suchte nach einem Anhaltspunkt in Dondons Blicken, die hin- und herhuschten. »Es ist in Ordnung«, sagte der Dunkelelf schließlich.
»Er hat also seinen Kopf gerettet«, stellte Catti-brie fest, »aber was sollen wir jetzt mit ihm anstellen? Ihn mitnehmen?«
»Ja«, stimmte Bruenor mit einem verschlagenen Blick zu. »Er wird uns führen!«
»Nein«, widersprach Drizzt zur Verwunderung seiner Freunde. »Der Halbling hat getan, um was wir ihn gebeten haben. Laßt ihn laufen.«
»Damit er direkt zu Entreri rennt und ihm Bericht erstattet?« fragte Wulfgar.
»Entreri würde es weder verstehen«, erwiderte Drizzt. Er sah Dondon direkt in die Augen, gab dem Halbling aber nicht zu verstehen, dass er seine kleine List in der List durchschaut hatte. »Noch würde er es verzeihen.«
»Mein Herz sagt, dass wir ihn mitnehmen sollen«, wandte Bruenor noch einmal ein.
»Laßt ihn laufen«, wiederholte Drizzt ruhig. »Vertraut mir.«
Bruenor schnaubte und ließ seine hocherhobene Axt an seine Seite zurückfallen. Murrend ging er zur Tür und öffnete sie. Wulfgar und Catti-brie tauschten Blicke voller Unruhe, gaben aber den Weg frei.
Dondon zögerte nicht lange. Aber als er die Tür fast erreicht hatte, baute sich Bruenor vor ihm auf. »Wenn ich dein Gesicht noch einmal wiedersehe«, drohte der Zwerg, »oder irgendein Gesicht, das du trägst, werde ich dich zerhacken!«
Dondon schlich um ihn herum und zog sich in den Korridor zurück. Dabei starrte er den gefährlichen Zwerg unentwegt an. Schließlich flitzte er den Korridor hinunter und schüttelte den Kopf darüber, wie genau Entreri diese Begegnung zuvor beschrieben hatte und wie gut der Meuchelmörder diese Freunde, insbesondere den Dunkelelfen, kannte.
Drizzt, der die Wahrheit hinter dieser Begegnung ahnte, wusste, dass Bruenors letzte Warnung den verschlagenen Halbling kaum beeindruckt haben konnte. Dondon hatte sie mit zwei Lügen überlistet, ohne dass er sich irgendwie verraten hatte.
Trotzdem nickte Drizzt beifällig, als Bruenor, der immer noch einen finsteren Ausdruck trug, in das Zimmer zurückkehrte, denn der Dunkelelf wusste auch, dass der Zwerg sich durch diese Drohung, auch wenn sie sonst nichts bewirkte, besser fühlte.
Auf Drizzts Vorschlag legten sie sich schlafen. Bei der Betriebsamkeit in den Straßen würden sie schwerlich in der Lage sein, unbemerkt durch ein Gitter in die Kanalisation zu schlüpfen. Aber die Menschenmassen würden sich wahrscheinlich lichten, wenn sich die Nacht dem Ende neigte und die wachsamen, gefährlichen Vagabunden der Nacht wieder von den harmlosen Passanten des heißen Tages abgelöst wurden.
Nur Drizzt fand keinen Schlaf. Er saß mit dem Rücken an die Zimmertür gelehnt da und lauschte nach Geräuschen. Er wartete ab, ob sich jemand näherte, und fiel, angeregt durch das regelmäßige Atmen seiner Gefährten, in eine beruhigende Meditation. Er sah auf die Maske, die um seinen Hals hing. So eine einfache Lüge, und doch konnte er sich mit ihr frei und ungehindert in der ganzen Welt bewegen.
Aber wäre er dann nicht im Netz seiner eigenen Täuschung gefangen? Was für eine Freiheit konnte er finden, wenn er die Wahrheit über sich selbst abstritt?
Drizzt sah zu Catti-brie hinüber, die friedlich in dem einzigen Bett des Zimmers schlummerte, und lächelte. In ihrer Unschuld lag wirklich Weisheit, und sie fühlte sich stets der Wahrheit verpflichtet, wie es dem Idealismus unverdorbener Empfindungen eigen war.
Er durfte sie nicht enttäuschen.
Drizzt spürte, dass sich die Düsterheit draußen vertiefte. Der Mond war untergegangen. Er
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