Die vergessenen Welten 06 - Der ewige Traum
seinen Freunden, um sie zu erreichen, bevor sie durch die Macht des Zaubers verbannt sein würden.
* * *
Hoffnungslos und entsetzt beobachtete Regis, wie seine Freunde sich zusammenkauerten. Dann bewegte sich das Bild im Tarosring von den unteren Ebenen des Gildenhauses zu einem düsteren Ort, einem Ort mit Rauch und Schatten, mit Ghulen und Dämonen.
Einem Ort, wo keine Sonne schien.
»Nein!« schrie der Halbling, als er die Absicht des Zauberers erkannte. LaValle schenkte ihm keine Beachtung, und Pook kicherte nur, als er ihn hörte. Sekunden später sah Regis seine Freunde wieder, aber diesmal in dem wirbelnden Rauch auf der düsteren Ebene.
Pook stützte sich schwer auf seinen Spazierstock und lachte. »Wie ich es liebe, Hoffnungen zu vernichten!« sagte er zu seinem Zauberer. »Wieder einmal beweist du mir deinen unschätzbaren Wert, mein teurer LaValle!«
Regis beobachtete, wie sich seine Freunde in dem erbarmungswürdigen Versuch der Verteidigung Rücken an Rücken stellten. Finstere Gestalten umkreisten sie bereits und schwebten über ihnen — Wesen mit großer Macht, die ganz und gar vom Bösen durchdrungen waren.
Regis schloss die Augen. Er konnte diesen Anblick nicht ertragen.
»Oh, sieh nicht weg, kleiner Dieb«, sagte Pook lachend zu ihm. »Sieh zu, wie sie sterben, und schätze sie glücklich, denn ich versichere dir, dass der Schmerz, den sie erleiden werden, nichts ist gegen die Qualen, die ich für dich geplant habe.«
Regis warf Pook einen finsteren Blick zu. Er hasste diesen Mann, und er hasste sich dafür, dass seine Freunde seinetwegen in eine solche Notlage geraten waren. Seinetwegen waren sie durch die halben Welten gereist. Sie hatten Artemis Entreri und eine ganze Armee von Werratten und höchstwahrscheinlich noch mehr Gegner besiegt. Alles seinetwegen.
»Verflucht sollst du sein!« fauchte Regis. Plötzlich hatte er keine Angst mehr. Er drehte sich um und biß den Eunuchen kräftig in den Oberschenkel. Der Riese kreischte vor Schmerzen auf, gab seinen Griff frei und ließ Regis los.
Der Halbling schlug auf dem Boden auf, rollte sich herum und rannte davon. Er lief zu Pook hinüber, riss den Spazierstock um, auf den sich der Gildenvorsteher stützte, während er mit einer Hand geschickt in Pooks Tasche griff und eine Statuette hervorholte. Dann stürmte er weiter zu LaValle.
Der Zauberer hatte mehr Zeit zum Handeln gehabt und hatte bereits mit einem Zauberspruch begonnen, als Regis auf ihn losging, aber der Halbling erwies sich als der schnellere. Er sprang hoch und stieß ihm zwei Finger in die Augen, so dass der Zauberer seinen Spruch unterbrach und nach hinten taumelte.
Während der Zauberer noch um sein Gleichgewicht kämpfte, riss ihm Regis das Zepter mit der Perle aus der Hand und stellte sich vor den Tarosring. Er sah sich ein letztes Mal im Zimmer um und fragte sich, ob es nicht einen leichteren Weg gäbe.
Pook beherrschte sein Blickfeld. Mit blutrotem, verzerrtem Gesicht stand der Gildenvorsteher da, nachdem er sich von dem Angriff erholt hatte, und wirbelte seinen Spazierstock herum, der ihm auch als Waffe diente und von dem Regis aus Erfahrung wusste, dass er tödlich war.
»Bitte tu mir den Gefallen«, flüsterte Regis und hoffte, dass ihm vielleicht ein Gott erhörte. Er biss die Zähne zusammen und neigte den Kopf. Dann sprang er in den Tarosring und ließ sich von dem Zepter den Weg weisen.
Der Sprung
Auf dem Boden, auf dem sie standen, stieg Rauch auf, der sich träge um ihre Füße wälzte. Aus seiner Bewegung, wie er nur dreißig bis sechzig Zentimeter weiter auf beiden Seiten unter ihnen verschwand, nur um in einer anderen Wolke wieder aufzusteigen, erkannten die Freunde, dass sie auf einem schmalen Vorsprung standen, einer Brücke, die sich über eine unendlich lange Schlucht spannte.
Ähnliche Brücken, die alle nicht viel breiter waren, erstreckten sich kreuz und quer über und unter ihnen, und so weit sie erkennen konnten, waren es die einzigen Wege auf dieser Ebene, die sie beschreiten konnten. Gleichgültig, in welche Richtung sie sahen, nirgendwo fanden sie eine feste Landmasse, sondern nur die sich schlängelnden, spiralförmigen Brücken.
Die Freunde bewegten sich langsam, wie im Traum, und kämpften gegen die schwere Luft an. Dieser Ort, eine düstere, bedrückende Welt mit schlechten Gerüchen und qualvollen Schreien, verströmte einzig das Böse. Niederträchtige, unförmige Monster fegten über ihre Köpfe hinweg in die finstere Leere und
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