Die vergessenen Welten 07 - Das Vermächtnis
absolute Schwärze; Catti-brie war überrascht, wie roh dieser Tunnel war, viel naturbelassener und gröber als dort, wo sie losgegangen waren.
Erdreich mischte sich an der Decke und den Wänden mit dem Felsen, was der jungen Frau nicht gerade Vertrauen zu der Stabilität der Gänge einflößte. Sie wurde sich plötzlich der Hunderte von Tonnen Gesteins und Erde über ihrem Kopf gewahr, wurde sich bewußt, daß eine kleine Verschiebung im Fels blitzschnell sie und ihre Begleiter zerschmettern konnte.
»Was hast du?« fragte Bruenor, der ihre Unruhe bemerkt hatte. Er wandte sich Wulfgar zu und sah, daß der Barbar ähnlich nervös war.
»Unbearbeitete Tunnel«, bemerkte der Zwerg und fing an, sie zu verstehen. »Du bist nicht an die wilden Tiefen gewöhnt.« Er legte eine knorrige Hand um den Arm seiner geliebten Tochter und spürte Perlen kalten Schweißes.
»Du wirst dich daran gewöhnen«, versprach der Zwerg sanft. »Erinnere dich einfach daran, daß Drizzt alleine hier unten ist und unsere Hilfe braucht. Denk daran, und du wirst den Felsen über deinem Kopf schnell vergessen.«
Catti-brie nickte entschlossen, holte tief Luft und wischte sich mit Entschiedenheit den Schweiß von der Stirn. Daraufhin ging Bruenor weiter voran. Er sagte, er wolle an den Rand des Fackelscheins, um zu sehen, ob er den vorausgehenden Schlachtenwüter ausmachen könne.
»Drizzt braucht uns«, sagte Wulfgar zu Catti-brie, sobald der Zwerg gegangen war.
Überrascht von seinem Tonfall, drehte sich Catti-brie ihm zu. Das erste Mal seit langer Zeit hatte Wulfgar sie angesprochen, ohne daß auch nur der Hauch entweder beschützerischer Herablassung oder anschwellenden Zorns in seiner Stimme lag.
Wulfgar ging zu ihr und legte ihr sanft den Arm auf den Rücken, damit sie weitergehen konnten. Sie paßte sich seinem langsamen Schritt an, während sie die ganze Zeit sein helles Gesicht musterte und versuchte, die unübersehbare Qual in seinen starken Gesichtszügen zu verstehen.
»Wenn dies hier vorüber ist, müssen wir über vieles reden«, sagte er leise.
Catti-brie blieb stehen und musterte ihn mißtrauisch - und das schien den Barbaren nur noch mehr zu verletzen.
»Ich habe viele Entschuldigungen zu machen«, versuchte Wulfgar zu erklären, »bei Drizzt, bei Bruenor, aber am meisten bei dir. Dafür, daß ich mich von Regis - von Entreri - so habe zum Narren machen lassen!« Wulfgars ansteigende Erregtheit verflog, als er dabei Catti-brie ansah und die ernste Entschlossenheit in ihren blauen Augen sah.
»Was in den letzten Wochen geschehen ist, wurde durch den Meuchelmörder und seinen magischen Anhänger sicherlich gesteigert«, stimmte ihm die junge Frau zu, »aber ich fürchte, die Probleme existierten schon, bevor Entreri ankam. Als erstes mußt du dies vor dir selber zugeben.«
Wulfgar blickte zur Seite, dachte über ihre Worte nach und stimmte ihr dann mit einem Nicken zu. »Wir werden darüber reden«, versprach er.
»Nachdem wir mit den Dunkelelfen fertig sind«, sagte Cattibrie.
Der Barbar nickte noch einmal.
»Und du denkst daran, wo dein Platz ist«, sagte ihm Catti-brie. »Du hast eine Rolle in unserer Gruppe zu übernehmen, und die besteht nicht darin, dich um meine Sicherheit zu kümmern. Bleib an deinem Platz.«
»Und du bleibst an deinem«, stimmte ihr Wulfgar zu, und sein Lächeln sandte einen Schwall Wärme durch Catti-brie, eine deutliche Erinnerung an jene besonderen, jungenhaften Qualitäten, an seine Unschuld und sein so gar nicht berechnendes Verhalten, die sie zuerst zu Wulfgar hingezogen hatten.
Der Barbar nickte erneut und ging, noch immer lächelnd, weiter. Catti-brie war an seiner Seite - aber nicht mehr hinter ihm.
* * *
»Ich habe dir dies alles gegeben«, stichelte Entreri und bewegte sich langsam auf seinen Rivalen zu. Sein leuchtendes Schwert und den juwelenbesetzten Dolch hatte er weit zur Seite gestreckt, als führe er eine Besichtigungsgruppe durch eine riesige Schatzkammer. »Durch mein Tun hast du wieder Hoffnung und kannst in dem Glauben durch diese Tunnel laufen, daß du wieder das Tageslicht sehen wirst.«
Drizzt, der beide Krummsäbel in Händen hielt und die Kiefer fest zusammenpreßte, antwortete ihm nicht.
»Bist du mir nicht dankbar?«
»Bitte, töte ihn«, hörte Drizzt den verletzten Regis flüstern. Es war eine Bitte im vielleicht jammervollsten Tonfall, den er je gehört hatte. Er blickte zur Seite und sah den Halbling vor Angst zittern, sich auf die Lippen beißen und
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