Die vergessenen Welten 08 - Nacht ohne Sterne
vorbei. Er hoffte, daß Gromphs Ruf, besonders grausam zu sein, ihn damit durchkommen lassen würde.
Der Bluff tat seine Wirkung, und die Wachen kehrten auf ihre Posten zurück, wobei sie nicht einmal wagten, miteinander zu flüstern, solange der Erzmagier noch in der Nähe war.
Entreri erinnerte sich genau an den verwinkelten Weg und
erreichte bald die unscheinbare Wand von Gromphs privaten Gemächern. Er holte tief Luft und blickte seine Begleiterin an. Trotz allem verfolgte ihn unablässig der Gedanke, daß sie beide so gut wie tot waren, wenn sich Gromph hinter dieser Tür befand.
»Kolsen'shea orbb«, flüsterte er schließlich, und zu seiner Erleichterung begann sich die Wand zu dehnen und zu verzerren, bis sie zu einem Spinnennetz geworden war. Die Netzstränge drehten sich, bildeten das Loch und öffneten sich zu dem sanften blauen Leuchten dahinter. Entreri kletterte eilig hindurch, bevor ihn der Mut verließ, und zog Catti-brie mit sich.
Gromph war nicht da.
Entreri trat an den Schreibtisch aus Zwergenknochen, rieb
sich die Hände und blies hinein, bevor er nach der Schublade langte. Unterdessen wanderte Catti-brie, fasziniert von den magischen Utensilien, umher, betrachtete zuerst aus einigem Abstand die Pergamente und ging dann sogar zu einer Tonflasche hinüber und wagte es, ihren Korken herauszuziehen.
Entreris Herz setzte einen Schlag lang aus, als er die Stimme des Erzmagiers hörte, aber er entspannte sich wieder, als er erkannte, daß sie aus der Flasche kam.
Catti-brie musterte Flasche und Korken neugierig, dann schob sie den Stöpsel wieder in den Hals und löschte damit die Stimme aus. »Was war das?« fragte sie, denn sie hatte kein einziges Wort verstanden, da sie die Drowsprache nicht beherrschte.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Entreri grob. »Faß nichts an!«
Catti-brie zuckte mit den Achseln, während sich der Meuchelmörder wieder seiner Arbeit am Schreibtisch zuwandte und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, daß er das Paßwort für die Schublade korrekt aussprach. Er rief sich die Unterhaltung mit Jarlaxle ins Gedächtnis, in der ihm der Söldner das Wort mitgeteilt hatte. War Jarlaxle ehrlich gewesen, oder war diese ganze Sache nur ein Teil eines viel komplexeren, abgekarteten Spieles? Hatte Jarlaxle ihn hierhergelockt, damit er ein falsches Wort aussprach, die Schublade öffnete und damit sich selbst und halb Sorcere zerstörte? Es kam ihm sogar der Gedanke, daß Jarlaxle eine Kopie der Spinnenmaske in der Schublade deponiert und dann ihn dazu verleitet haben könnte, herzukommen und Gromphs mächtige Schutzzauber auszulösen, um damit den Beweis zu vernichten.
Entreri schüttelte diese beunruhigenden Gedanken wie Schnee ab. Er hatte sich für diesen Weg entschieden und sich selbst davon überzeugt, daß sein Versuch, Drizzt zu befreien, irgendwie ein Teil des Gerüstes von Jarlaxle großen Plänen war, worin immer diese auch bestehen mochten. Jetzt konnte er nicht mehr seinen Befürchtungen nachgeben. Er sprach den Satz und öffnete die Schublade.
Die Spinnenmaske wartete auf ihn.
Entreri ergriff sie und wandte sich zu Catti-brie um, die den oberen Teil eines kleinen Stundenglases mit feinem weißen Sand gefüllt hatte und zuschaute, wie er hinabrieselte.
Entreri sprang auf, eilte durch den Raum und legte die Maske hastig auf die Seite.
Catti-brie blickte ihn neugierig an.
»Ich habe die Zeit gemessen«, sagte sie ruhig.
»Das ist keine Uhr!« erklärte der Meuchelmörder grob. Er drehte das Stundenglas um, entfernte den Sand sorgfältig und schüttete ihn in seinen Beutel zurück, den er sorgsam wieder verschloß. »Es ist ein Sprengstoff, und wenn der Sand durchgelaufen ist, bricht hier alles in Flammen aus. Du darfst nichts anfassen!« herrschte er sie grob an. »Gromph wird nicht einmal ahnen, daß wir hier waren, wenn alles ordentlich an seinem Platz bleibt.« Entreri schaute sich bei diesen Worten in dem Durcheinander des Raumes um. »Oder besser gesagt, wenn es auf die richtige Weise unordentlich aussieht. Er war nicht hier, als Jarlaxle die Spinnenmaske zurückbrachte.«
Catti-brie nickte und schien sich wirklich zu schämen, aber das war Verstellung. Sie hatte schon ihre Vermutungen über die wahre Natur des Stundenglases gehabt und hätte den Sand bestimmt nicht ganz durchlaufen lassen. Sie hatte nur damit begonnen, um von Entreri eine Bestätigung für ihre Annahme zu erhalten.
Die beiden verließen eilig den Raum des Zauberers und Sorcere.
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