Die vergessenen Welten 08 - Nacht ohne Sterne
war klug genug, zu verstehen, daß in dem Sekundenbruchteil gerade ein Kampf der Geisteskräfte stattgefunden hatte, und er war nicht überrascht, daß der Gedankenschinder ihn anscheinend gewonnen hatte.
Der unglückliche Oblodran war nur noch ein Schatten seiner selbst, und einen Moment später war er nichts mehr.
K'yorl Odrans wilder, finsterer Blick zeigte, daß sie kurz vor einer Explosion stand, aber Oberin Baenre, die eine der gefährlichsten Drow überhaupt war, wich keinen Zoll.
Unerwarteterweise grinste K'yorl plötzlich und erklärte leichthin: »Es war nur ein Mann.«
»K'yorl!« fauchte Baenre. »Diese Pflicht ist von Lloth geheiligt worden, und Ihr müßt mithelfen!«
»Drohungen?« fragte K'yorl.
Oberin Baenre erhob sich von ihrem Thron und trat auf K'yorl zu, die keine Handbreit zurückwich, hob ihre linke Hand zu der Wange der Oblodran, und die unterlegene K'yorl zuckte unwillkürlich zurück. An jener Hand trug Oberin Baenre einen riesigen goldenen Ring, dessen vier nicht geschlossene Bänder sich wanden, als seien sie die acht Beine einer lebenden Spinne. Sein großer, blauschwarzer Saphir glänzte. K'yorl wußte, daß jener Ring eine lebende Velsharess Orbb enthielt, eine Königinnenspinne, die eine um vieles tödlichere Verwandte der Schwarzen Witwe der Oberfläche war.
»Ihr müßt die Wichtigkeit begreifen«, schnurrte Oberin Baenre.
Zu Jarlaxles Erstaunen (und er bemerkte, daß Dantrags Hand zu seinem Schwertgriff fuhr, als wolle der Waffenmeister aus der außerdimensionalen Lausch-Höhlung springen und die anmaßende Oblodran erschlagen) schlug K'yorl Oberin Baenres Hand zur Seite.
»Barrison Del'Armgo hat zugestimmt«, sagte Oberin Baenre und hob die Hand, um ihre gefährliche Tochter und den illithidischen Berater davon abzuhalten, etwas zu unternehmen.
K'yorl grinste, doch das war ein offensichtlicher Bluff, denn die Oberin Mutter des dritten Hauses konnte nicht darüber begeistert sein, daß sich die ersten beiden Häuser in einer Sache zusammengetan hatten, die sie selbst vermeiden wollte.
»Ebenso wie Faen Tlabbar«, fügte Oberin Baenre schlau hinzu und bezog sich damit auf das vierte Haus der Stadt und den meistgehaßten Rivalen Oblodras. Baenres Worte stellten eine offene Drohung dar, denn mit den Häusern Baenre und Barrison Del'Armgo an seiner Seite würde Faen Tlabbar nichts Eiligeres zu tun haben, als Oblodra zu vernichten, um den dritten Rang in der Stadt einzunehmen.
Oberin Baenre ließ sich wieder auf ihrem Saphirthron nieder, ohne ihre Augen von K'yorl zu nehmen.
»Mein Haus hat nicht so viele Drow«, sagte K'yorl, und es war das erste Mal, daß Jarlaxle so etwas wie Demut in den Worten der arroganten Oblodran hörte.
»Nein, aber Ihr habt Koboldfutter!« schnauzte Oberin Baenre. »Und behauptet nicht, es seien nur sechshundert. Die Tunnel des Klauenspalts unter Haus Oblodra sind gewaltig.«
»Ich werde Euch dreitausend geben«, antwortete K'yorl, die anscheinend ihre Meinung über hartes Feilschen geändert hatte.
»Die zehnfache Anzahl!« grollte Baenre.
K'yorl sagte nichts, sondern warf nur ihren Kopf zurück und blickte an ihrer schmalen, ebenholzfarbenen Nase entlang zur ersten Oberin Mutter.
»Weniger als zwanzigtausend werde ich nicht akzeptieren«, sagte Oberin Baenre daraufhin, als habe K'yorl zu feilschen begonnen. »Die Verteidigung der Zwergenfeste wird ausgeklügelt sein, und wir werden ausreichendes Futter benötigen, um hindurchzugelangen.«
»Die Kosten sind hoch«, sagte K'yorl.
»Zwanzigtausend Kobolde sind weniger wert als das Leben eines einzigen Drow«, erinnerte Baenre sie und fügte dann, nur des Effekts wegen, hinzu: »In Lloths Augen.«
K'yorl setzte zu einer scharfen Erwiderung an, aber Oberin Baenre unterbrach sie sofort.
»Erspart mir Eure Drohungen!« schrie Baenre, und ihr dünner Hals erschien Jarlaxle noch dürrer, als sie ihr Kinn so anspannte und vorstreckte. »In Lloths Augen ist dieses Unternehmen weitaus wichtiger als die Kämpfe zwischen Drowhäusern, und ich verspreche Euch, K'yorl, daß der Ungehorsam des Hauses Oblodra dem Aufstieg von Faen Tlabbar dienen wird!«
Jarlaxles Augen weiteten sich vor Überraschung, und er blickte zu Dantrag hinüber, der aber keine Erklärung geben wollte. Nie zuvor hatte der Söldner eine so offene Drohung eines Hauses gegen ein anderes gehört. Diesmal kam weder ein Grinsen noch die kleinste Erwiderung von K'yorl. Als er die Frau betrachtete, die schwieg und offenkundig darum
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