Die vergessenen Welten 09 - Brüder des Dunkels
war sie verlassen, und nur ein paar Pergamente und Schnipsel von geistlichen Beschwörungen zeigten an, daß hier einmal jemand gewesen war. Nach dem Fall der Tunnel und dem Einsturz eines Teils von Tunults Kaverne (und vieler Nebentunnel, darunter auch jenes, der zu dieser Höhle führte) schienen die Truppen, die Bruenor in den tieferen Regionen eingesetzt hatte, verstreut zu sein und ohne zentralen Befehl zu handeln.
Uthegental durchquerte die Kaverne, ohne ihr große Aufmerksamkeit zu schenken. Die Gruppe der Drow eilte schweigend die Gänge entlang und orientierte sich im allgemeinen, den drängenden Signalen des Waffenmeisters folgend, nach Osten. Sie kamen zu einer breiten Weggabelung und bemerkten die uralten Knochen eines zweiköpfigen Riesen, die an einer Wand lagen – ironischerweise ein Sieg, den Bruenor Heldenhammer vor Jahrhunderten errungen hatte. Wichtiger war jedoch die Gabelung des Tunnels.
Uthegental, der über die neue Verzögerung verärgert war, sandte Späher nach links und rechts, dann betrat er mit dem Rest seines Trupps den rechten Gang, der weiter nach Osten führte.
Uthegental seufzte erleichtert, weil er glaubte, daß sie endlich das untere Tor gefunden hatten, als sein Späher und eine weitere Drow, eine Priesterin, einen Augenblick später zu ihm stießen.
»Seid gegrüßt, Waffenmeister des Zweiten Hauses«, sprach ihn die Priesterin an und zeigte ihm damit mehr Respekt, als ein bloßer Mann gewöhnlich erwarten konnte.
»Warum seid Ihr hier draußen in den Tunneln?« wollte Uthegental wissen. »Wir sind noch immer weit von der Unterstadt entfernt.«
»Weiter, als Ihr glaubt«, erwiderte die Priesterin und blickte angewidert nach Osten zurück, den Tunnel entlang, der an dem unteren Tor endete. »Der Weg ist nicht frei.«
Uthegental stieß ein tiefes Knurren aus. Die Dunkelelfen hätten die Unterstadt zu diesem Zeitpunkt bereits eingenommen und die Gänge geöffnet haben müssen. Er trat an der Frau vorbei, und sein Schritt verriet seinen Zorn.
»Ihr werdet nicht durchbrechen können«, versicherte ihm die Priesterin, und er wirbelte herum, als hätte sie ihm ins Gesicht geschlagen.
»Wir greifen das Tor bereits seit einer Stunde an«, erklärte die Priesterin. »Und wir werden noch eine ganze Woche brauchen, bis wir dieses Hindernis beseitigen können. Die Zwerge verteidigen es gut.«
»Ultrin sartlin!« brüllte Uthegental seinen Lieblingstitel, um die Priesterin an seinen Ruf zu erinnern. Aber auch die Tatsache, daß Uthegental die Auszeichnung »Höchster Krieger« errungen hatte, schien die Frau wenig zu beeindrucken.
»Einhundert Drow, fünf Zauberer und zehn Priesterinnen waren nicht in der Lage, das Tor einzunehmen«, sagte sie ruhig. »Die Zwerge schlagen unsere Magie mit mächtigen Zaubern und Kugeln aus brennendem Pech zurück. Und der Tunnel, der zu dem Tor führt, ist schmal und mit Fallen übersät, so daß er ebensogut verteidigt wird wie das Haus Baenre selbst.
Zwanzig Minotauren gingen dort zugrunde, und auf das Dutzend von ihnen, das an den Fallen vorbeikam, warteten zähe Zwerge, die in kleinen, verborgenen Kammern auf sie gelauert hatten. Zwanzig Minotauren wurden innerhalb weniger Minuten abgeschlachtet.«
»Ihr werdet nicht durchbrechen können«, sagte die Priesterin erneut, und ihr Tonfall war absolut sachlich, ohne im mindesten beleidigend zu sein. »Keiner von uns wird das schaffen, wenn nicht jene, die bereits in die Zwergenfeste eingedrungen sind, den Verteidigern in den Rücken fallen.«
Uthegental hätte die Frau am liebsten geschlagen, hauptsächlich, weil er ihrer Behauptung Glauben schenkte.
»Warum wollt Ihr den Komplex überhaupt betreten?« fragte die Frau unerwartet und mit einem listigen Blick.
Uthegental musterte sie mißtrauisch und fragte sich, ob sie an seinem Mut zweifelte. Warum sollte er schließlich nicht zum Kampf wollen?
»Gerüchte besagen, daß Euer vorrangiges Opfer Drizzt Do'Urden ist«, fuhr die Priesterin fort.
Uthegentals Ausdruck wechselte von Mißtrauen zu Verschlossenheit.
»Andere Gerüchte behaupten, daß sich der Abtrünnige in den Tunneln außerhalb von Mithril-Halle befindet«, erklärte sie, »daß er mit seinem Panther auf der Jagd ist und schon eine ganze Anzahl Drow getötet hat.«
Uthegental fuhr sich mit einer Hand durch sein stacheliges Haar und blickte zurück nach Westen, zu dem wilden Labyrinth aus Tunneln, das er hinter sich gelassen hatte. Er spürte, wie ein Adrenalinschub durch seinen
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