Die Vergessenen Welten 10 - Die Küste Der Schwerter
ist.
Es gibt einen Ort in uns allen, an dem wir uns nicht vor der Wahrheit verbergen können, wo die Tugenden zu Gericht sitzen. Sich der Wahrheit unserer Handlungen zu stellen heißt, uns diesem Gericht zu stellen, vor dem eine Verhandlung nicht nötig ist. Gut und böse sind Absichten, und eine Absicht hat keine Ausflucht.
Cadderly Bonaduce hat sich diesem Ort so willentlich und vollständig gestellt wie niemand anders, den ich je gekannt habe. Ich erkenne diese Größe in ihm und sehe das Resultat, die Schwebende Seele, jene majestätischste und doch zugleich demütigste aller menschlichen Leistungen.
Artemis Entreri wird an diesen Ort gelangen. Vielleicht erst im Augenblick seines Todes, aber er wird dorthin gehen, so wie wir alle es irgendwann müssen, und welche Pein wird er erleiden, wenn die Wahrheit seiner Existenz ihm offenbart wird! Ich bete darum, daß er bald dorthin geht, und mein Wunsch entspringt nicht der Rache, denn Rache ist ein leeres Gebet. Möge Entreri aus eigenem Antrieb zu diesem intimsten Ort in seinem Herzen gehen, um die Wahrheit zu erkennen, und so sein Leben ändern. Er wird Freude in seiner Buße finden, eine wahre Harmonie, die er auf seinem gegenwärtigen Kurs niemals erfahren kann.
Ich gehe so oft an diesen Ort in meinem Herzen, wie ich nur kann, um der Falle der Selbstgerechtigkeit zu entgehen, die einem so vieles leichter macht. Es ist ein schmerzlicher Ort, ein nackter Ort, doch nur dort können wir uns dem Guten nähern; nur dort, wo keine Maske uns rechtfertigen kann, vermögen wir die Wahrheit unserer Absichten zu erkennen und damit die Wahrheit unserer Handlungen. Nur dort, wo die Tugenden zu Gericht sitzen, werden Helden geboren.
Drizzt Do'Urden
Die Schwebende Seele
Drizzt, Catti-brie, Deudermont und Harkle stießen auf keine Schwierigkeiten, als sie Carradoon für ihre Reise in das Schneeflockengebirge verließen. Der Drow hatte die Kapuze seines Mantels tief ins Gesicht gezogen, und alle in der Stadt waren so aufgeregt über das Erscheinen des Schoners, daß niemand der Gruppe, die die Stadt verließ, viel Beachtung schenkte.
Sobald sie das Stadttor hinter sich gelassen hatten, war der Weg des Quartetts leicht und sicher. Von dem Drowwaldläufer um jede mögliche Schwierigkeit herumgeleitet, stießen sie auf nichts Bemerkenswertes oder Aufregendes.
Nach dem, was sie in den letzten paar Wochen erlebt hatten, war das genau nach ihrem Geschmack.
Sie plauderten angeregt, meist mit Drizzt, der ihnen die Tierwelt um sie herum erklärte – welcher Vogel zu welchem Gezwitscher gehörte, und wie viele Rehe die Mulden aus flachgedrückten Nadeln verursacht hatten, die sie bei einem Kiefernhain fanden. Gelegentlich kam das Gespräch auf die vor ihnen liegende Aufgabe und auf das Gedicht der blinden Seherin. Dies brachte Harkle in eine schwierige Situation. Er wußte, daß den anderen ein paar möglicherweise wichtige Teile der Verse fehlten, denn er hatte das Gedicht in seinem Journal genau studieren können. Der Zauberer wußte jedoch nicht, wie weit er eingreifen konnte. Der Nebel des Schicksals war als ein passiver Zauber entwickelt worden, eine Methode, die es Harkle erleichtern sollte, Zeuge dramatischer Ereignisse zu werden. Wenn er zu einem aktiven Teil dieser Ereignisse wurde, indem er einem anderen der Mitspieler einen Blick in sein verzaubertes Journal gewährte, oder indem er das benutzte, was das Journal für ihn aufgezeichnet hatte, würde er damit wahrscheinlich den Zauber brechen.
Falls das Schicksal einen Kampf für sie bereithielt, konnte Harkle schließlich seine anderen magischen Fähigkeiten verwenden. Zudem konnte er auch seine Intuition benutzen, wie er es in der Diskussion auf der Seekobold ge tan hatte, als sie sich darauf geeinigt hatten, daß sie einen Zauberer oder Priester aufsuchen mußten. Aber direktes Eingreifen, indem er Informationen verwendete, die er durch die Auswirkungen des Zaubers erhalten hatte, würde möglicherweise die Zukunft ändern und damit die Absichten des Schicksals zunichte machen. Für einen solchen Zweck war Harkles Zauber nicht entwickelt worden; die Magie hatte ihre Grenzen. Der arme Harkle wußte nicht, wie weit er diese Begrenzung ausdehnen konnte. Nachdem er vierzig Jahre in der Gesellschaft von Zauberern gelebt hatte, die alle mindestens ebenso exzentrisch waren wie er, wußte er nur zu gut um die möglichen ernsthaften Nebenwirkungen, die entstehen konnten, wenn man die Magie zu sehr beanspruchte.
So überließ
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