Die vergessenen Welten 11 - Kristall der Finsternis
letzten Tage über genau beobachtet hatte, konnte er diese schrecklichen Möglichkeiten nicht einfach abtun.
Und er musste, was vielleicht am schlimmsten war, seine eigenen Gefühle bedenken, die er verspürt hatte, als er die verprügelte Cattibrie gesehen hatte. Er war nicht im Mindesten überrascht gewesen. Wulfgar wollte aufbrechen, und Drizzt packte ihn instinktiv am Unterarm.
Wulfgar wirbelte herum und stieß die Hand des Drow fort. »Lebewohl, Drizzt Do'Urden«, sagte er mit ernster Stimme, und in diesen Worten schwangen viele seiner unausgesprochenen Gedanken mit. Ein Sehnen danach, mit dem Dunkelelfen zu der Gruppe zurückzukommen, eine Bitte darum, dass alles wieder so sein möge, wie es einmal gewesen war: Freunde, die Gefährten der Halle, die gemeinsam ins Abenteuer zogen. Und am stärksten hörte Drizzt aus dem Tonfall der Worte, die so deutlich und betont ausgesprochen worden waren, eine Endgültigkeit heraus. Er konnte Wulfgar nicht aufhalten, außer er schnitt ihm mit dem Krummsäbel die Fußsehnen durch. Und tief in seinem Herzen wusste er in diesem Augenblick, dass er ihn auch nicht aufhalten durfte.
»Finde dich selbst«, sagte Drizzt, »und dann finde uns.«
»Vielleicht«, war alles, was Wulfgar ihm zusichern konnte. Er ging davon, ohne zurückzuschauen.
Für Drizzt Do'Urden war der Weg zurück zum Wagen und seinen Freunden die längste Reise seines Lebens.
TEIL 2
Auf gefährlichen Pfaden
Jeder von uns muss seinem eigenen Weg folgen. Das scheint ein so einfacher und offensichtlicher Gedanke zu sein, doch in einer Welt, in der so viele Menschen ihre wahren Gefühle und Wünsche aus Rücksicht auf andere unterdrücken, gehen wir oft Irrwege.
Am Ende jedoch müssen wir unserem Herzen folgen und unseren eigenen Weg alleine finden, wenn wir wirklich glücklich werden wollen. Zu dieser Erkenntnis bin ich gekommen, als ich Menzoberranzan verlassen habe, und eine Bestätigung meines Weges habe ich erfahren, als ich im Eiswindtal ankam und diese wunderbaren Freunde fand. Nach dem letzten brutalen Kampf in Mithril-Halle, als anscheinend halb Menzoberranzan ausgezogen war, um die Zwerge zu vernichten, wusste ich, dass mein Weg woanders hinführte, dass ich eine Reise machen musste, um einen neuen Horizont zu finden. Catti-brie wusste dies ebenfalls, und da ich erkannte, dass ihr Verlangen, mitzukommen, nicht aus Mitgefühl für meine Bedürfnisse entstanden war, sondern ihrem eigenen Herzen entsprang, hieß ich ihre Begleitung willkommen.
Wir alle müssen unserem eigenen Weg folgen, und so erfuhr ich an jenem schicksalhaften Morgen in den Bergen die schmerzhafte Wahrheit, dass Wulfgar einen Pfad gefunden hatte, der von dem meinigen abwich. Oh, wie gerne ich ihn aufhalten wollte! Wie ich ihn anflehen oder, wenn das nichts nutzte, ihn bewusstlos schlagen und zurück ins Lager schleppen wollte. Als wir uns trennten, spürte ich ein Loch in meinem Herzen, das fast so schlimm war wie jenes, das sich aufgetan hatte, als ich von seinem scheinbaren Tod in dem Kampf mit der Yochlol erfuhr.
Und dann, als ich davonging, legten sich peinigende Schuldgefühle über den Abschiedsschmerz. Hatte ich Wulfgar wegen seiner Beziehung zu Catti-brie so widerspruchslos gehen lassen? Gab es einen Teil von mir, der die Rückkehr meines barbarischen Freundes als Hindernis für eine Beziehung sah, die ich zu der Frau aufgebaut
hatte, seit wir gemeinsam aus Mithril-Halle fortgegangen waren? Diese Schuld fand keinen echten Halt und war bereits verschwunden, als ich zu meinen Gefährten stieß. Wie ich meinem Weg folgen musste und jetzt Wulfgar dem seinen, so würde auch Catti-brie den ihren finden. Würde er an meiner Seite verlaufen? An der von Wulfgar? Wer konnte das sagen? Doch wo auch immer ihr Weg hinführte, ich würde nicht versuchen, ihn auf eine solche Weise zu verändern. Ich ließ Wulfgar nicht gehen, um dadurch selbst etwas zu gewinnen. Nein, wahrlich nicht, denn mein Herz war schwer. Nein, ich ließ Wulfgar ohne große Diskussionen gehen, weil ich wusste, dass es nichts gab, womit ich oder unsere Freunde ihm dabei helfen konnten, die Wunden in ihm selbst zu heilen. Nichts, was ich sagen konnte, würde ihm Trost spenden, und falls Catti-brie tatsächlich einen Fortschritt gemacht hatte, so war dieser mit dem Schlag von Wulfgars Faust in ihr Gesicht zunichte gemacht geworden.
Zum Teil war es Furcht, die Wulfgar von uns forttrieb. Er glaubte, dass er die Dämonen in sich nicht kontrollieren konnte und dass er im
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