Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit
dankbares Lächeln von ihrem zukünftigen Ehemann einbrachte. Er sagte nichts und versuchte nicht einmal, die Berührung zu weiteren Annäherungen auszunutzen. Meralda musste zugeben, dass es … angenehm war.
»Oh, erzähl mir alles!«, flüsterte Tori und eilte zu Meraldas Bett, als das ältere Mädchen an diesem Abend endlich nach Hause gekommen war. »Hat er dich berührt?«
»Wir haben uns unterhalten und den Wellen zugeschaut«, erwiderte Meralda ausweichend. »Liebst du ihn schon?«
Meralda starrte ihre Schwester an. Liebte sie Lord Feringal? Nein, sie konnte mit Gewissheit sagen, dass sie es nicht tat, zumindest nicht auf die hitzige Weise, in der sie sich nach Jaka sehnte, aber das war vielleicht ganz in Ordnung so. Vielleicht würde sie lernen, den stattlichen Lord von Auckney zu lieben. Feringal war wahrlich kein hässlicher Mann – ganz im Gegenteil. Während ihre Beziehung wuchs und die überstürzten Zärtlichkeiten des liebeskranken Mannes überwunden waren, begann Meralda allmählich, seine vielen guten Qualitäten zu erkennen, Qualitäten, die zu lieben sie sich durchaus vorstellen konnte. »Liebst du Jaka nicht mehr?«, fragte Tori.
Meraldas zufriedenes Lächeln erlosch bei dieser schmerzlichen Erinnerung. Sie gab keine Antwort, und Tori war ausnahmsweise sensibel genug, die Sache auf sich beruhen zu lassen, als Meralda sich umdrehte, zusammenrollte und versuchte, nicht zu weinen. Es war eine Nacht voller drückender, heftiger Träume, aus denen sie am nächsten Morgen verwirrt erwachte. Trotzdem war Meraldas Stimmung viel besser, und sie steigerte sich noch, als sie den Wohnraum betrat und ihre Mutter hörte, wie sie mit Mam Gärtner plauderte, eine ihrer neugierigeren Nachbarinnen (die kleine Gnomin besaß eine Nase, die jeden Geier beschämt hätte). Biaste erzählte ihrer Besucher in überschwänglich von ihrem Besuch im Garten der Burg.
»Mam Gärtner hat uns ein paar Eier gebracht«, verkündete ihre Mutter und deutete auf eine Pfanne mit Rührei. »Bedien dich selbst, ich möchte nicht wieder aufstehen.«
Meralda lächelte der freigiebigen Gnomin zu und ging dann zur Pfanne hinüber. Beim Anblick und dem Geruch der Eier spürte die junge Frau unerklärlicherweise, wie sich ihr der Magen umdrehte, und sie musste aus dem Haus laufen, um sich draußen neben dem kleinen Busch zu übergeben.
Mam Gärtner war sofort bei ihr. »Ist alles in Ordnung, Mädchen?«, fragte sie.
Meralda richtete sich wieder auf. »Es ist das üppige Essen in der Burg«, erklärte sie. »Ich fürchte, sie mästen mich zu gut.«
Mam Gärtner lachte herzhaft. »Ah, daran wirst du dich schon gewöhnen!«, sagte sie. »Du wirst noch ganz dick und rund werden, bei dem leichten Leben und dem vielen Essen.«
Meralda erwiderte ihr Lächeln und kehrte ins Haus zurück.
»Du musst trotzdem etwas essen«, sagte Mam und lenkte sie zu der Pfanne.
Der bloße Gedanke an die Eier versetzte Meraldas Magen erneut in Aufruhr. »Ich glaube, ich muss mich noch mal ein wenig hinlegen«, erklärte sie und zog sich wieder in ihr Zimmer zurück.
Sie hörte, wie die Frauen sich über ihre Übelkeit unterhielten und Mam ihrer Mutter von dem üppigen Essen erzählte. Biaste, der Krankheiten ja nicht fremd waren, hoffte, dass nicht mehr dahinter steckte.
Meralda selbst war sich da nicht so sicher. Erst jetzt dachte sie an die Zeitspanne, die seit ihrem Treffen mit Jaka vor drei Wochen verstrichen war. Es stimmte, sie hatte ihre Regel nicht bekommen, aber darüber hatte sie nicht groß nachgedacht, da sie bei ihr sowieso nie sehr pünktlich eintrat…
Die junge Frau verschränkte die Arme über ihrem Bauch und war von Freude und Angst zugleich überwältigt.
Auch am nächsten und am übernächsten Morgen war ihr übel, aber es gelang ihr, ihren Zustand zu verheimlichen, indem sie sich von Eiern fern hielt. Nachdem sie sich übergeben hatte, ging es ihr den Tag über gut, und so wurde ihr klar, dass sie tatsächlich schwanger war.
In ihren Fantasien war der Gedanke, Jaka Sculis Baby zu bekommen, überhaupt nicht schlimm. Sie konnte sich vorstellen, mit ihm verheiratet zu sein, in einer Burg zu leben und mit ihm durch die Gärten zu spazieren, aber die Wirklichkeit war viel Angst einflößender.
Sie hatte den Lord von Auckney betrogen, und, was viel schlimmer war, sie hatte ihre Familie betrogen. Indem sie sich diese eine Nacht für sich selbst genommen hatte, hatte sie wahrscheinlich ihre Mutter zum Tode verurteilt und sich selbst in
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