Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit
erwiderte Meralda. »Du hast gesagt, wir würden zur Schwertküste reisen, nach Luskan und nach Tiefwasser, und das werden wir jetzt. Das muss ich.«
Der Gedanke schien Jaka nicht sonderlich zu gefallen. Er sagte: »Aber …«, und schüttelte immer wieder den Kopf. Schließlich schüttelte Meralda ihn, um ihn zu sich zu bringen, und zog ihn dann an sich.
»So ist es vielleicht am besten«, sagte sie. »Du bist meine Liebe, so wie ich die deine bin, und jetzt hat das Schicksal eingegriffen, um uns zusammenzuführen.«
»Es ist verrückt«, erwiderte Jaka und zog sich zurück. »Wir können nicht davonlaufen. Wir haben kein Geld. Wir haben nichts. Wir werden auf dem Weg umkommen, noch bevor wir Luskan erreichen.«
»Nichts?«, wiederholte Meralda ungläubig und begann zu erkennen, dass es nicht nur der Schock war, der aus ihm sprach. »Wir haben einander. Wir haben unsere Liebe und das Kind, das in mir wächst.«
»Denkst du, das reicht?«, fragte Jaka in dem gleichen ungläubigen Ton. »Was für ein Leben würde uns denn unter solchen Voraussetzungen erwarten? Wir wären für immer Bettler, die Dreck essen und das Kind im Dreck großziehen würden.« »Welche Wahl haben wir denn?«
»Wir?« Jaka biss sich auf die Zunge, kaum dass ihm das Wort entschlüpft war, und erkannte zu spät, dass es unklug gewesen war, es laut auszusprechen.
Meralda kämpfte mit den Tränen. »Willst du damit sagen, dass du mich belogen hast, um mit mir schlafen zu können? Willst du damit sagen, dass du mich nicht liebst?«
»Das ist überhaupt nicht, was ich damit sagen will«, versicherte ihr Jaka und trat zu ihr, um ihr die Hand auf die Schulter zu legen. »Aber welche Chance haben wir denn, so zu überleben? Du glaubst doch nicht wirklich, dass Liebe allein genügt, oder? Wir hätten nichts zu essen, kein Geld, und müssten zu dritt satt werden. Und wie wird es sein, wenn du dick und hässlich wirst und wir nicht einmal mehr miteinander schlafen können, um ein wenig Freude zu erlangen?« Die Frau wurde bleich und trat von ihm weg. Er kam ihr nach, doch sie stieß ihn zurück. »Du hast gesagt, du würdest mich lieben«, sagte sie. »Das habe ich getan«, erwiderte Jaka. »Das tue ich.«
Sie schüttelte langsam den Kopf, und ihre Augen zogen sich zusammen, als sie plötzlich klar sah. »Dir hat nach mir gelüstet, aber du hast mich nie geliebt.« Ihre Stimme bebte, aber Meralda war entschlossen, stark zu bleiben. »Du Idiot. Du kennst ja nicht einmal den Unterschied.« Damit drehte sie sich um und stürmte aus dem Haus. Jaka machte keine Anstalten, ihr nachzulaufen.
Meralda weinte die ganze Nacht über im Regen auf dem Hügel und kehrte erst am frühen Morgen nach Hause zurück. Die Wahrheit lag jetzt vor ihr, was immer auch als Nächstes geschehen mochte. Sie kam sich wie eine komplette Närrin vor, sich Jaka Sculi hingegeben zu haben. Ihr ganzes Leben lang würde sie, wenn sie sich an den Augenblick erinnerte, in dem sie die Unschuld eines Mädchens verloren hatte und zur Frau geworden war, nicht an die Nacht denken, in der sie ihre Jungfräulichkeit verlor. Nein, es würde diese Nacht sein, in der sie erkannte, dass sie ihren teuersten Besitz an einen selbstsüchtigen, sorglosen und oberflächlichen Mann verschleudert hatte. Nein, nicht an einen Mann – an einen Jungen. Was war sie doch für eine Närrin gewesen!
Oh, süße Heimat
Sie hatten sich unter den Wagen verkrochen und sahen zu, wie der Regen um sie herum herabprasselte. Das Wasser sickerte in kleinen Bächen herein und verwandelte sogar den Boden ihres kleinen, geschützten Platzes in Schlamm.
»Das ist nicht das Leben, das ich mir vorgestellt habe«, grummelte ein missmutiger Morik. »Oh, wie sind die Mächtigen gefallen.« Wulfgar grinste seinen Freund spöttisch an und schüttelte den Kopf. Ihn kümmerten körperliche Annehmlichkeiten nicht so sehr wie Morik, und der Regen machte ihm nichts aus. Er war schließlich im Eiswindtal aufgewachsen, in einem Klima, das um vieles rauer war als alles, was es in den Vorgebirgen auf dieser Seite des Grats der Welt gab.
»Jetzt hab ich mir meine beste Hose ruiniert«, zeterte Morik, drehte sich um und klopfte sich den Dreck ab.
»Die Bauern hätten uns Obdach angeboten«, erinnerte ihn Wulfgar. Die beiden waren früher am Tag an mehreren Bauernhöfen vorbeigekommen, und Wulfgar hatte mehrfach erwähnt, dass die Bewohner ihnen wahrscheinlich Essen und ein warmes Plätzchen anbieten würden.
»Dann hätten die Bauern
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