Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit
wenn ihr Zustand entdeckt wurde.
»Bei den Göttern!«, keuchte sie und schlug die Hand vor den Mund. »Oh, der arme Narr!« Sie drehte sich zu Lord Feringal um und schüttelte offensichtlich völlig verwirrt den Kopf.
Und das war sie tatsächlich. Hass, Grauen und die Erinnerung an ihre Leidenschaft bildeten ein unentwirrbares Knäuel in ihrem Herzen. Sie hasste Jaka – oh, wie sie ihn hasste – für seine Reaktion auf die Offenbarung, dass sie schwanger war, und sie hasste ihn noch mehr für seine Dummheit am heutigen Tag. Dennoch konnte sie die Gefühle nicht verleugnen, die sie einst für ihn empfunden hatte, die Art, wie sein bloßer Anblick sie noch vor wenigen Monaten vor Freude hatte hüpfen lassen. Meralda wusste, dass Jakas letzter Schrei sie ihr ganzes Leben lang verfolgen würde.
Sie verbarg all dies und reagierte auf den schrecklichen Anblick wie alle anderen um sie herum – mit Schock und Entsetzen. Sie verschoben die Hochzeit. Drei Tage später vollendeten sie die Zeremonie an einem grauen, bewölkten Morgen. Es schien passend. Den Rest des Tages ihrer großen Feier, zu der ganz Auckney eingeladen war, spürte Meralda das Zögern in den Bewegungen ihres Gatten. Sie versuchte Feringal darauf anzusprechen, aber er wollte nicht darüber reden. Meralda erkannte, dass er Angst hatte. Und war das nicht verständlich? Jaka war mit dem Namen von Feringals Braut auf den Lippen in den Tod gestürzt.
Dennoch gelang es Lord Feringal immer wieder zu lächeln, während der Wein floss und alle sich amüsierten. Dieses Lächeln wurde noch strahlender, als Meralda ihm ins Ohr flüsterte, wie sehr sie sich auf ihre erste gemeinsame Nacht freute, auf die Vollendung ihrer Liebe.
Die junge Frau war sehr aufgeregt, wenn auch ein wenig ängstlich. Er würde natürlich erkennen, dass ihre Jungfräulichkeit nicht mehr intakt war, aber das war nicht ungewöhnlich bei Frauen, die das harte Leben auf einem Gehöft führten und oft auf Pferden ritten. Sie fragte sich, ob es nicht besser wäre, ihm die Wahrheit über ihren Zustand und die Lüge zu gestehen, die sie sich ausgedacht hatte, um ihn zu erklären.
Nein, entschied sie, während sie mit ihrem Ehemann die Treppe zu ihren Privatgemächern hinaufstieg. Nein, der Mann hatte in den letzten Tagen schon zu viele Aufregungen erlebt. Dies sollte eine Nacht der Freude für ihn werden, nicht des Schmerzes. Dafür würde sie sorgen.
Es war eine wundervolle erste Ehewoche voller Liebe und lächelnder Gesichter, und das von Biaste Ganderlay rührte Meralda am meisten. Ihre Familie war nicht auf die Burg gezogen. Sie würde es nicht wagen, Priscilla so etwas vorzuschlagen, noch nicht. Doch der Hohe Observator Risten hatte unermüdlich mit Meraldas Mutter gearbeitet und sie für vollständig genesen erklärt. Biastes strahlendes Gesicht bestätigte Meralda, dass dies die Wahrheit war. Zudem konnte sie sehen, dass Feringal zwar noch immer von Jakas Auftritt auf der Klippe erschüttert war, aber über das Geschehene hinwegkommen würde. Der Mann liebte sie, dessen war sie sich sicher, und er liebkoste sie bei jeder Gelegenheit.
Meralda war mit sich selbst über ihre Gefühle für Jaka ins Reine gekommen. Es tat ihr Leid, was geschehen war, aber sie trug keine Schuld an dem Tod des Mannes. Jaka hatte es selbst getan, und nur für sich selbst und ganz und gar nicht für sie. Meralda begriff jetzt, dass Jaka alles für sich selbst getan hatte. Es würde immer einen winzigen Platz in ihrem Herzen für den jungen Mann geben, für die Träume, die niemals Wirklichkeit werden würden. Dies wurde jedoch von dem Wissen mehr als ausgeglichen, dass ihrer Familie eine bessere Zukunft beschieden war, als jeder von ihnen jemals erwartet hätte. Irgendwann würde sie Biaste und Dohni in die Burg holen oder ihnen einen angemessenen Gutshof verschaffen. Und sie würde Tori helfen, einen passenden Ehemann zu finden, vielleicht einen reichen Händler, wenn das Mädchen so weit war.
Es blieb nur ein Problem übrig. Meralda fürchtete, dass Priscilla allmählich ihren Zustand erahnte, denn die Frau blieb zwar nach außen hin freundlich, hatte ihr jedoch mehrfach unmissverständliche Blicke zugeworfen. Misstrauische Blicke, wie die von Verwalter Temigast. Beide kannten ihren Zustand oder vermuteten ihn zumindest. Auf jeden Fall würden es schon bald alle wissen, was ein gewisses Maß von Verzweiflung in Meraldas ansonsten so perfektes Leben eindringen ließ.
Die junge Frau hatte sogar daran gedacht,
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