Die vergessliche Mörderin
sie gesagt hat?«
»Soviel ich verstanden habe, ist über eine Krankheit von Mrs Restarick viel geredet worden?«
»Ja. Sie hatte irgendeine mysteriöse Magengeschichte, über die die Ärzte sich nicht klar wurden. Sie haben sie ins Krankenhaus geschickt, und da besserte sich ihr Zustand sofort ohne ersichtlichen Grund. Kaum war sie wieder zuhause, begann alles von vorn – und abermals rätselten die Ärzte herum. Na, und dann kam der Klatsch in Gang. Eine unzuverlässige Krankenschwester hat angefangen, ihre Schwester hat es der Nachbarin erzählt, die hat es weitergetratscht. Und schließlich hieß es, ihr Mann wolle sie vergiften. Naomi und ich haben über die kleine Ausländerin gesprochen – übrigens ist sie nicht au pair. Sie ist als Sekretärin und Gesellschafterin bei dem Alten angestellt – und ich kann mir nicht vorstellen, warum sie Mrs Restarick Gift ins Essen tun sollte.«
»Ein paar Gründe haben Sie ja selber erwähnt.«
»Möglich ist so was natürlich immer…«
»Mord erwünscht…«, sagte Poirot nachdenklich, »aber noch nicht ausgeführt.«
3
D er Parkplatz im Innenhof der Borodene Mansions war von sechs Autos besetzt. Als Mrs Oliver einbog, scherte eines rückwärts aus, sodass sie ihren Wagen in der Parklücke abstellen konnte. Dann stieg sie aus und sah sich um.
Das Gebäude hatte in der Mitte große Schwingtüren; der Westflügel und der Ostflügel glichen sich aufs Haar.
Das Appartement 67 lag im sechsten Stock des rechten Flügels. Mrs Oliver drückte auf den Liftknopf. Die Türen öffneten sich wie ein gähnendes Maul, und sie sprang eilig hinein.
Der Lift schoss nach oben, und Mrs Oliver hoppelte wie ein verängstigtes Kaninchen heraus.
Nach einem Blick auf die Wand bog sie in den rechten Gang ein. Sie kam zu einer Tür mit der Nummer 67. Die Zahlen waren aus Metall und in der Mitte angebracht. In dem Moment löste sich die Sieben und fiel ihr auf den Fuß.
Kein verheißungsvoller Empfang, dachte Mrs Oliver, während sie mit einem leisen Schmerzensschrei die Zahl aufhob und mit dem Daumen wieder fest an die Tür drückte.
Sie klingelte.
Die Tür wurde sofort geöffnet. Ein hübsches, hochgewachsenes junges Mädchen stand vor ihr. Sie trug ein dunkles, gut geschnittenes Kostüm mit einem sehr kurzen Rock und eine weiße Seidenbluse. Ihre Schuhe waren elegant und teuer. Sie hatte hochgekämmte dunkle Haare, war geschickt und unauffällig zurechtgemacht und wirkte aus irgendeinem Grund auf Mrs Oliver leicht Furcht einflößend.
»Oh«, sagte Mrs Oliver und suchte nach den richtigen Worten. »Ist Miss Restarick da?«
»Nein, das tut mir leid. Sie ist ausgegangen. Kann ich ihr etwas bestellen?«
Wiederum sagte Mrs Oliver: »Oh«, bevor sie umständlich ein unordentlich in braunes Packpapier gewickeltes Päckchen herausholte. »Ich hatte ihr ein Buch versprochen«, erklärte sie. »Eins von mir, das sie noch nicht gelesen hat. Hoffentlich hab ich das richtige mitgebracht. Sie wissen nicht zufällig, ob sie bald zurückkommt?«
»Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen. Ich weiß nicht, was sie heute vorhat.«
»Oh. Sind Sie Miss Reece-Holland?«
Das Mädchen warf ihr einen erstaunten Blick zu.
»Ja, das bin ich.«
»Ich kenne Ihren Vater.« Mrs Oliver fuhr fort: »Ich bin Mrs Oliver. Ich schreibe Bücher.« Das sagte sie in dem schuldbewussten Tonfall, in dem sie diese Ankündigung immer von sich gab.
»Kommen Sie doch herein.«
Mrs Oliver nahm die Einladung an, und Claudia Reece-Holland führte sie in ein Wohnzimmer. Die Tapete wirkte wie eine grob gemaserte Holztäfelung, an eine Wand war ein riesiger Harlekin geklebt und an die andere ein Affe, der sich durch Palmwedel schwang.
»Norma wird sich über Ihr Buch bestimmt sehr freuen, Mrs Oliver. Darf ich Ihnen was zu trinken anbieten? Sherry? Gin?«, fragte sie mit der gewandten Sicherheit einer guten Sekretärin.
Mrs Oliver dankte.
»Was für eine schöne Aussicht Sie hier haben!« Sie trat ans Fenster und musste blinzeln, weil ihr die untergehende Sonne direkt in die Augen schien.
»Ja. Aber wenn der Lift nicht funktioniert, ist es weniger schön.«
»Oh, ich hätte nie gedacht, dass dieser Lift es wagt, nicht zu funktionieren. Er wirkt wie – wie ein Roboter.«
»Er ist ganz neu, aber deswegen auch nicht besser. Er muss dauernd nachgesehen und überprüft werden!«
Die Tür ging auf, ein Mädchen kam herein und sagte: »Claudia, hast du eine Ahnung, wo ich mein…«
Sie entdeckte Mrs Oliver und blieb
Weitere Kostenlose Bücher