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Die vergessliche Mörderin

Die vergessliche Mörderin

Titel: Die vergessliche Mörderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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passieren?«
    »Vergessen Sie nicht, dass es um einen Mord geht! Da kann immer was passieren. Ich sage Ihnen das, ich, Poirot.«

6
     
    M r Goby saß auf einem Stuhl: ein kleiner schmächtiger Mann, der vor lauter Unscheinbarkeit kaum vorhanden zu sein schien. Jetzt betrachtete er den Löwenfuß eines antiken Tisches und sprach mit ihm. Er wandte sich niemals direkt an sein Gegenüber.
    »Gut, dass Sie Namen hatten, Mr Poirot. Sonst hätte es noch viel länger gedauert. Jetzt habe ich einige Tatsachen für Sie – und am Rande noch ein bisschen Klatsch… Klatsch ist nützlich. Soll ich mit den Borodene Mansions beginnen?«
    Poirot nickte huldvoll.
    »Gleich mehrere Portiers«, teilte Goby der Kaminuhr mit. »Mit denen habe ich angefangen. Zwei meiner jungen Leute haben das gemacht. Teuer, aber immer lohnend. Ich wollte nicht, dass es so aussah, als wäre eine bestimmte Person hinter Auskünften her. Soll ich Anfangsbuchstaben statt der Namen verwenden?«
    »Hier, in diesem Zimmer, können Sie Namen nennen«, sagte Poirot.
    »Miss Claudia Reece-Holland gilt als besonders nett. Der Vater ist im Parlament. Ehrgeiziger Mann, übrigens. Wird oft in der Presse erwähnt. Hat nur diese Tochter. Sie ist Sekretärin. Ein solides Mädchen. Keine wilden Partys, kein Alkohol, keine Beatniks. Wohnt mit zwei anderen Mädchen zusammen. Nummer zwei arbeitet in der Wedderburn-Galerie in Bond Street. Macht auf künstlerisch. Ist ein Anhängsel vom Chelsea-Set. Reist für die Firma herum und arrangiert Kunstausstellungen. Die dritte ist die, für die Sie sich interessieren. Wohnt noch nicht lange da. Gilt allgemein als – na, ›unterbelichtet‹. Nicht ganz richtig im Kopf. Aber das sind so Gerüchte. Einer von den Portiers ist ein Schwätzer. Wenn Sie dem einen Schnaps spendieren, werden Sie staunen, was Sie alles zu hören kriegen! Wer trinkt, und wer Rauschgift nimmt, und wer Ärger mit der Steuer hat, und wer sein Geld hinter dem Spülbecken aufhebt. Darf man natürlich nicht alles glauben. Immerhin: Es gibt da eine Geschichte von einem Revolverschuss, der nachts losgegangen ist.«
    »Ein Revolverschuss? Ist jemand verletzt worden?«
    »Das scheint nicht ganz klar zu sein. Er erzählt es so: Er hat nachts einen Schuss gehört, ist rausgelaufen und findet Ihr Mädchen mit einem Revolver in der Hand. Sie wirkt wie betäubt. Und dann kommt eine von den anderen jungen Damen angerannt – nein, beide sogar. Miss Cary (das ist die künstlerische) sagt: ›Norma, um Himmels willen, was hast du gemacht?‹ und Miss Reece-Holland faucht sie an: ›Halt doch den Mund, Frances. Bist du verrückt?‹ Und dann nimmt sie Ihrem Mädchen den Revolver weg und sagt: ›Gib ihn mir.‹ Sie steckt ihn in die Handtasche und bemerkt jetzt erst den Portier Micky; sie geht zu ihm und fragt lachend: ›Da haben Sie sich aber schön erschreckt, was?‹ Micky sagt, er hätte einen Mordsschrecken bekommen. Na, dann sagt sie: ›Regen Sie sich nicht auf. Wir hatten keine Ahnung, dass das Ding geladen war. Wir haben damit rumgespielt.‹ Und sie fügt hinzu: ›Wenn jemand fragen sollte, was los gewesen ist, sagen Sie einfach, es war alles in Ordnung.‹ Als Nächstes ruft sie: ›Komm, Norma‹, nimmt sie beim Arm, bugsiert sie in den Aufzug, und fort sind alle drei. Aber Micky hat dem Frieden nicht getraut. Er ist auf den Hof gegangen und hat sich umgesehen.«
    Goby zitierte jetzt aus dem Notizbuch. »Ich sag Ihnen, ich hab auch was gefunden! Feuchte Flecken – und zwar Blut! Ich hab’s auf dem Finger gehabt. Wissen Sie, was ich glaube? Sie hat auf jemand geschossen. Ein Mann ist fortgerannt… Ich bin raufgegangen und hab nach Miss Reece-Holland gefragt. Zu der hab ich gesagt: ›Ich glaub, Miss, dass jemand verletzt worden ist. Auf dem Hof sind Blutspuren.‹ – ›Du liebe Güte‹, hat sie gesagt, ›machen Sie sich doch nicht lächerlich! Das ist eine von den Tauben gewesen.‹ Und dann: ›Tut mir leid, dass Sie sich so erschreckt haben‹, und damit gibt sie mir einen Fünfpfundschein! Fünf Pfund, was sagen Sie dazu! Natürlich hab ich da den Mund gehalten… Wenn Sie mich fragen, dann hat sie auf den Burschen geballert, der immer zu ihr kommt. Die haben bestimmt Krach gehabt, und sie hat ihn umlegen wollen. Aber ich halt mich da raus. Wenn mich einer fragt, sag ich, ich wüsste nicht, von was er redet.« Goby machte eine Pause.
    »Interessant«, meinte Poirot.
    »Ja, aber das kann genauso alles erfunden sein. Außer ihm weiß anscheinend

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