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Die vergessliche Mörderin

Die vergessliche Mörderin

Titel: Die vergessliche Mörderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Ja, das schien mir wirklich ein impulsiver Entschluss zu sein. Sie hat es zugegeben.«
    Er lauschte einem vehementen Redeschwall und sagte dann: »Das weiß ich nicht. In diesem Stadium lässt sich das schwer beurteilen. Momentan sieht es so aus: ein empfindsames Mädchen, das neurotisch und überreizt ist, weil es zu viel verschiedene Narkotika geschluckt hat… Nein, das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Davon gibt es Dutzende, die alle verschiedene Wirkungen hervorrufen: Verwirrtheit, Gedächtnisverlust, Aggressivität oder nur Benommenheit. Es ist schwierig, ihre eigenen Reaktionen von denen zu trennen, die durch die Medikamente entstanden sind. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder steigert sie sich in diese Sache hinein, wird immer unsteter, neurotischer und überspannter, bis sich wirklich eine Tendenz zum Selbstmord entwickelt; oder es ist ein groß angelegter Schwindel. Nicht ausgeschlossen, dass sie allen diese Geschichte aus einem unerfindlichen Grund vorspielt. Vielleicht will sie sich anders darstellen, als sie ist. Das gelingt ihr jedenfalls glänzend. Trotzdem tauchen immer wieder gewisse Unstimmigkeiten und Widersprüche auf. Begabte Schauspielerin oder halb schwachsinnige Selbstmordkandidatin? Beides ist denkbar… Was haben Sie eben gesagt?… Hm, der Jaguar?… Ja, der ist viel zu schnell gefahren. Ach, Sie meinen, es wäre vielleicht kein Selbstmordversuch gewesen? Sie sollte absichtlich überfahren werden?«
    Er dachte einige Zeit darüber nach. »Ich kann es nicht sagen. Könnte immerhin sein. Möglich ist schließlich alles, nicht wahr? Jedenfalls werde ich bald mehr erfahren. Sie hat etwas Vertrauen zu mir gefasst, aber ich darf den Bogen nicht überspannen, sonst wird sie argwöhnisch. Im Moment hat sie vor irgendetwas Angst… Ja, natürlich, wenn sie mir einen Bären aufbindet, dann müssen wir den Grund herausbekommen. Ich glaube schon, dass sie in Kenway Court bleiben wird. Trotzdem würde ich vorschlagen, dass Sie jemand hinschicken, der in den nächsten Tagen ein bisschen auf sie aufpasst. Sie darf ihn nicht kennen, damit er ihr folgen kann, falls sie fortlaufen sollte.«

11
     
    A ndrew Restarick schrieb einen Scheck aus und schnitt dabei eine Grimasse.
    Er hatte das geräumige Chefbüro Simon Restaricks unverändert gelassen und lediglich zwei Bilder gegen sein eigenes Porträt ausgewechselt, das er mit einem Aquarell des Tafelbergs vom Land mitgebracht hatte.
    Obwohl Andrew Restarick jetzt etwas fülliger zu werden begann, unterschied er sich merkwürdig wenig von dem um fünfzehn Jahre Jüngeren auf dem Bild. Dasselbe vorspringende Kinn, die fest zusammengepressten Lippen, die fragend hochgezogenen Augenbrauen. Alles in allem ein absolut durchschnittlicher Typ.
    Seine Sekretärin kam herein und blieb vor dem Schreibtisch stehen. Er sah auf.
    »Ein Monsieur Hercule Poirot ist hier. Er sagt, er sei mit Ihnen verabredet. Ich habe aber keinen Termin notiert.«
    »Monsieur Hercule Poirot? Ich kann mich nicht erinnern«, sagte er kopfschüttelnd, »aber den Namen muss ich schon mal gehört haben. Wie sieht er aus?«
    »Sehr klein – sehr – sehr französisch. Mit einem riesigen Schnurrbart…«
    »Oh, jetzt weiß ich es! Mary hat ihn mir beschrieben. Er hat den alten Roddy besucht. Aber wieso will er mit mir verabredet sein?«
    »Er sagt, Sie hätten ihm geschrieben.«
    »Komisch, daran kann ich mich gar nicht erinnern. Ob Mary… Ach, er soll ruhig reinkommen. Das ist wohl das Beste.«
    Kurz darauf erschien Claudia Reece-Holland wieder in Begleitung eines kleinen Mannes mit eiförmigem Kopf, mächtigem Schnurrbart und spitzen Lackschuhen, der überaus selbstgefällig wirkte und genau Marys Beschreibung entsprach.
    »Monsieur Hercule Poirot«, verkündete Claudia Reece-Holland und ging gleich wieder hinaus. Restarick erhob sich.
    »Monsieur Restarick? Ich bin Hercule Poirot und stehe Ihnen zur Verfügung.«
    »Ich habe durch meine Frau von Ihnen gehört. Sie haben uns – oder besser – meinen Onkel besucht. Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich bin aufgrund Ihres Briefes zu Ihnen gekommen.«
    »Das verstehe ich nicht. Ich habe Ihnen nicht geschrieben, Monsieur Poirot.«
    Poirot sah ihn groß an. Dann nahm er einen Brief aus der Tasche, entfaltete ihn, warf einen Blick darauf und legte ihn mit einer Verneigung auf den Schreibtisch. »Hier, Monsieur, überzeugen Sie sich selbst.«
    Restarick las staunend. Er trug den Briefkopf seiner Firma und war mit seinem Namen

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