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Die vergessliche Mörderin

Die vergessliche Mörderin

Titel: Die vergessliche Mörderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Mensch. Nur eben schwach. Aber ich habe Onkel Simon wenig gesehen. Ich kannte bloß Mutters Freunde, und die waren alle langweilig. Mein ganzes Leben war langweilig… Oh, ich habe mich so gefreut, dass Vater nachhause kam! Ich wollte mich wieder an ihn erinnern, wissen Sie, an Sachen, die er gesagt hat, an Spiele, die wir gespielt haben. Er war immer so lustig. Ich habe nach alten Fotografien von ihm gesucht. Aber Mutter muss sie wohl alle verbrannt haben.«
    »Sie hat ihm also nie verziehen?«
    »Ich glaube eher, dass sie sich an Louise rächen wollte.«
    »Louise?« Er merkte, wie Norma zusammenzuckte.
    »Ich weiß nicht… ich sagte Ihnen ja schon, dass ich mich an keine Namen erinnere.«
    »Das macht nichts. Sie sprachen eben von der Frau, mit der Ihr Vater durchgebrannt ist, nicht wahr?«
    »Ja, Mutter hat immer gesagt, sie wäre ’ne Alkoholikerin und rauschgiftsüchtig und würde mal schlimm enden.«
    »Hat sie Recht behalten?«
    »Ich weiß von gar nichts…« Ihre Erregung steigerte sich. »Stellen Sie mir doch nicht so viele Fragen! Ich weiß überhaupt nichts von ihr! Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört! Ich hatte sie völlig vergessen. Ich sage Ihnen doch, dass ich nichts über sie weiß!«
    »Nun mal langsam, regen Sie sich nicht so auf«, sagte Dr. Stillingfleet. »Das ist alles längst vorbei. Wir sollten lieber mal über die Zukunft reden. Was haben Sie jetzt vor?«
    Norma seufzte tief auf. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wo ich hin soll. Ich glaube… ja, bestimmt, es ist am besten, ich mache Schluss, aber…«
    »Aber einen zweiten Versuch schaffen Sie nicht? Das wäre auch schön dumm, mein liebes Kind! Gut – Sie wissen nicht, wohin, Sie können niemand vertrauen. Wie steht’s mit Geld?«
    »Ich habe ein Konto, und Vater überweist mir jedes Vierteljahr einen großen Betrag, aber ich traue mich nicht… ich glaube, dass sie jetzt schon nach mir suchen. Sie sollen mich nicht finden.«
    »Das lässt sich verhindern. Ich weiß was für Sie. Kenway Court heißt es. Ein Haus für Rekonvaleszenten, ein Erholungsheim. Es gibt dort keinen Arzt, keine Couch und niemand, der Sie einsperren will. Das schwöre ich Ihnen. Wenn Sie wollen, können Sie einfach fortgehen. Aber Sie können auch im Bett frühstücken oder den ganzen Tag liegen bleiben. Ruhen Sie sich aus, und dann besuche ich Sie mal, und wir beraten, was geschehen soll. Wäre das was für Sie? Wollen Sie das?«
    Norma starrte ihn ausdruckslos an und nickte langsam.
     
    Am gleichen Abend führte Dr. Stillingfleet ein Telefongespräch. »Operation Kidnapping erfolgreich beendet«, sagte er. »Sie ist in Kenway Court. Sie war folgsam wie ein Lamm. Viel kann ich Ihnen noch nicht sagen. Das Mädchen ist randvoll mit Rauschgift. Vermutlich hat sie Marihuana und Haschisch genommen, wahrscheinlich auch noch LSD…Das muss schon einige Zeit so gehen. Sie leugnet zwar strikt, aber ich traue ihr nicht so recht.« Er lauschte eine Weile. »Keine Ahnung! Da muss man sehr vorsichtig sein. Sie ist sehr argwöhnisch… Ja, sie hat Angst, oder sie tut so, als habe sie vor etwas Angst… Das weiß ich noch nicht. Nein. Denken Sie daran, dass Rauschgiftsüchtige schwierig sind. Man darf ihnen nicht alles glauben. Ich habe nichts übereilt; ich möchte nicht, dass sie sich aufregt… Ja, als Kind hat sie einen Vaterkomplex gehabt. Aus der Mutter hat sie sich nicht viel gemacht – die muss auch unerfreulich gewesen sein, eine selbstgerechte Märtyrerin. Sagt Ihnen der Name Louise etwas?… Allein die Erwähnung schien ihr Angst einzujagen. Offenbar hat sie sie als kleines Mädchen gehasst. Mit der ist der Vater durchgebrannt, als sie fünf war. In dem Alter verstehen die Kinder nicht viel, aber sie sind schnell bereit, Abneigung gegen den zu entwickeln, dem sie an etwas die Schuld geben. Den Vater hat sie erst vor ein paar Monaten wieder gesehen. Vermutlich hat sie davon geträumt, dass er nur noch für sie da sein würde. Stattdessen kam er mit einer hübschen jungen Frau angereist. Die heißt doch nicht etwa Louise, oder?… Na, ich habe nur mal gefragt…«
    Nach einer Pause fuhr der Arzt fort: »Übrigens gibt es noch was, das Sie vielleicht interessiert. Das Mädchen hat einen ziemlich lahmen Selbstmordversuch gemacht. Beunruhigt Sie das?… Na, umso besser… Nein, weder Tabletten noch Gas. Sie wollte sich vor einen Jaguar werfen, der schneller fuhr, als er sollte… Das kann ich nicht sagen. Ich habe sie gerade noch rechtzeitig erwischt…

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