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Die vergessliche Mörderin

Die vergessliche Mörderin

Titel: Die vergessliche Mörderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sprach nun immer schneller. Anscheinend tat es ihm gut, sein Leben vor einem wohlmeinenden Zuhörer ausbreiten zu können.
    Poirot fragte mitfühlend: »Sie selbst verspürten demnach nie den Wunsch, nach England zurückzukehren?«
    Restarick schüttelte energisch den Kopf. »Nein. Nie. Ich lebte so, wie ich es mir immer gewünscht hatte. Von Südafrika ging ich nach Ostafrika. Ich habe damals glänzend verdient. Alles, was ich anfing, glückte. Ob mit oder ohne Partner, meine Geschäfte florierten immer. Nein, ich hatte nicht die geringste Sehnsucht nach dem konventionellen Leben, das ich hier geführt hatte.«
    »Aber dann sind Sie doch heimgekehrt?«
    Restarick seufzte. »Ja. Das bin ich. Wissen Sie, man wird eben alt. Außerdem hatte ich zusammen mit einem anderen Schürfrechte erworben, die außerordentlich Erfolg versprechend schienen. Dazu musste ich nach London. Mein Bruder war kurz zuvor gestorben, sonst hätte er das übernehmen können. Ich war immer noch an der Firma beteiligt. Das war das erste Mal, dass ich eine Rückkehr erwogen habe. Eine Rückkehr in die City, meine ich…«
    »Nun, Ihre Frau, vielleicht wollte Ihre zweite Frau…«
    »Ja. Das war auch ein Beweggrund. Ich hatte Mary gerade geheiratet, als mein Bruder starb. Mary ist in Südafrika geboren, aber sie war oft in England und sehr gern dort. Ein englischer Garten war schon immer ihr Wunschtraum. Und mir gefiel die Idee, in England zu leben, plötzlich auch. Schon Normas wegen. Ihre Mutter war vor zwei Jahren gestorben. Ich habe alles mit Mary besprochen. Sie war sofort bereit, meine Tochter aufzunehmen. Norma sollte endlich wieder ein Heim haben. Ja, so hat sich alles entwickelt – und jetzt bin ich wieder hier.« Er lächelte.
    Poirot betrachtete das Porträt Restaricks. Warum hatte er es wohl im Büro aufgehängt? Aus Eitelkeit? Wollte er dadurch zeigen, dass er jemand war, dass er in der Geschäftswelt eine Rolle spielte? Oder war es eine Art Selbstbestätigung? Wollte er sich Mut machen?
    Nach kurzem Schweigen sagte Restarick entschuldigend: »Verzeihen Sie, Monsieur Poirot, dass ich Sie mit meiner Lebensgeschichte gelangweilt habe.«
    »Aber da gibt es doch nichts zu entschuldigen, Mr Restarick. Sie haben nur das erzählt, was im Zusammenhang mit Ihrer Tochter von Bedeutung ist. Sie sind in großer Sorge um Ihre Tochter. Aber trotzdem vermute ich, dass Sie mir den wirklichen Grund noch nicht genannt haben. Sie möchten, dass sie gefunden wird, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Aber möchten Sie auch, dass ich sie finde? Hören Sie – ich, Hercule Poirot, gebe Ihnen den Rat, der Polizei zu melden, dass Ihre Tochter verschwunden ist. Die Polizei hat größere Möglichkeiten, und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass sie sehr verschwiegen sein kann.«
    »Ich will mich nicht an die Polizei wenden. Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.«
    »Ein Privatdetektiv ist Ihnen lieber?«
    »Ja. Aber ich habe keine Erfahrung mit Privatdetektiven. Ich weiß nicht, wem man trauen kann und wem nicht.«
    »Und was wissen Sie über mich?«
    »Immerhin etwas. Ich weiß, dass Sie während des Krieges ein wichtiger Mann bei der Abwehr waren. Mein Onkel legt die Hand für Sie ins Feuer! Er schwört auf Sie.«
    Restarick nahm das flüchtige zynische Lächeln, das über Poirots Gesicht huschte, nicht wahr. Also sind alle auf meinen Schwindel hereingefallen, dachte Poirot, sogar Restarick, der doch wissen sollte, wie wenig man Sir Rodericks Gedächtnis und seinen Augen trauen darf. Alle hatten den von ihm ausgelegten Köder samt Haken und Angelschnur geschluckt.
    »Ich versichere Ihnen«, sagte er, »dass ich in meinem Beruf außergewöhnlich erfolgreich bin. Ja, in vieler Hinsicht bin ich sogar unübertroffen.«
    Restarick sah nicht so begeistert aus, wie er es hätte sein müssen. Zögernd fragte er: »Glauben Sie, dass Sie meine Tochter finden werden?«
    »Wahrscheinlich nicht so schnell, wie die Polizei es könnte, aber ich bin sicher, dass ich sie finde. Allerdings müssten Sie mich zuvor genau über sämtliche Einzelheiten informieren.«
    »Aber das habe ich doch getan. Ich kann Ihnen höchstens noch die Adressen ihrer Freunde geben…«
    Poirot schüttelte abwehrend den Kopf. »Nein, nein. Sagen Sie mir die Wahrheit.«
    »Soll das heißen, dass ich Ihnen nicht die Wahrheit gesagt hätte?«
    »Nicht die volle Wahrheit. Davon bin ich überzeugt. Wovor haben Sie Angst? Was haben Sie mir verschwiegen, das ich wissen muss, um Erfolg zu haben? Ihre Tochter mag ihre

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