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Die vergessliche Mörderin

Die vergessliche Mörderin

Titel: Die vergessliche Mörderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Mann, den Sie erwähnt haben und den Sie nicht leiden können? Kann sie bei ihm sein?«
    »Ich hoffe nicht! Es ist möglich, aber ich – meine Frau nimmt es nicht an. Sie sind ihm wohl begegnet, als Sie meinen Onkel besuchen wollten…«
    »Ja, jetzt weiß ich, von welchem jungen Mann Sie sprechen. Er ist hübsch, aber nicht der Typ, der einem Vater gefällt, wenn ich mich so ausdrücken darf. Ihre Frau schätzt ihn auch nicht sonderlich, schien mir.«
    »Meine Frau ist überzeugt davon, dass er sich heimlich einschleichen wollte.«
    »Vielleicht weiß er, dass er bei Ihnen nicht gern gesehen ist?«
    »Und ob er das weiß«, sagte Restarick erbittert. »Und Sie glauben trotzdem nicht, dass Ihre Tochter bei ihm ist?«
    »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll.«
    »Waren Sie schon bei der Polizei?«
    »Nein.«
    »In einem solchen Fall empfiehlt sich unbedingt die Vermisstmeldung bei der Polizei. Die Polizei ist auch diskret und hat viel mehr Möglichkeiten als ich.«
    »Ich will nicht zur Polizei. Mann, es geht um meine Tochter verstehen Sie das nicht? Meine Tochter. Wenn sie ohne unser Wissen für einige Zeit fortgehen will – gut, das ist ihre Sache. Es besteht keinerlei Anlass zu der Vermutung, dass sie in Gefahr ist. Ich – ich möchte nur wissen, wo sie ist.«
    »Ist es möglich, Mr Restarick, dass Sie sich nicht nur aus diesem Grund um Ihre Tochter Sorgen machen?«
    »Wie kommen Sie zu dieser Frage?«
    »Weil es heute nicht so außergewöhnlich ist, dass ein junges Mädchen für ein paar Tage verreist, ohne es den Eltern oder den Freundinnen mitzuteilen. Außer ihrem Verschwinden muss es noch etwas geben, das Sie so beunruhigt.«
    »Hm.« Restarick sah Poirot zweifelnd an. »Es ist sehr schwer, über so etwas mit einem Fremden zu sprechen…«
    »Im Gegenteil – mit Freunden fällt das wesentlich schwerer. Stimmt’s nicht?«
    »Vielleicht. Sie mögen Recht haben. Ja, ich gebe zu, dass ich mir um das Kind große Sorgen mache. Sie ist so anders als andere junge Mädchen, und es ist etwas vorgekommen, das mich, das uns beide – sehr beunruhigt hat.«
    »Ihre Tochter ist vermutlich in jenem kritischen Alter, in dem viele junge Leute Dinge tun, die einem unbegreiflich sind und für die man sie nicht verantwortlich machen kann. Bitte nehmen Sie mir meine Bemerkung nicht übel, aber kann es sein, dass Ihre Tochter die Stiefmutter ablehnt?«
    »Leider ja. Dabei hat sie keinerlei Anlass dazu, Monsieur Poirot. Meine erste Frau und ich haben uns vor langer Zeit getrennt. Ich will Ihnen ehrlich sagen, was gewesen ist. Wir hatten uns auseinander gelebt. Ich will nichts beschönigen: Ich hatte mich Hals über Kopf in eine andere verliebt und ging mit ihr nach Südafrika. Meine Frau war immer gegen eine Scheidung, und ich habe sie auch nicht darum gebeten. Ich habe meine Frau und das Kind – Norma war damals erst fünf – in jeder Weise finanziell gesichert.« Nach einer Pause fuhr er fort: »Zurückblickend weiß ich, dass ich schon längere Zeit unzufrieden war. Ich hasste diese Schreibtischhockerei. Mein Bruder machte mir oft Vorwürfe, dass ich mich so wenig ums Geschäft kümmerte und ihn nicht genügend unterstützte, aber dieses Leben lag mir einfach nicht. Ich war ruhelos, ich wollte reisen und die Welt sehen…«
    Er unterbrach sich plötzlich. »Aber Sie sollen nicht meine gesamte Lebensgeschichte zu hören bekommen. Ich ging also mit Louise nach Südafrika. Dort erlitten wir leider sehr bald Schiffbruch. Ich liebte sie, aber wir zankten uns andauernd. Sie fand Südafrika entsetzlich und wollte wieder nach London oder nach Paris, in kultivierte Städte. Schon nach einem Jahr trennten wir uns.«
    Er seufzte. »Vielleicht hätte ich damals zurückkehren sollen, zu diesem zahmen Leben am Schreibtisch, das mir so zuwider war. Ich weiß nicht, ob meine Frau mich wieder aufgenommen hätte. Möglich, dass sie es für ihre Pflicht gehalten hätte. Das Wort Pflicht wurde bei ihr immer ganz groß geschrieben.«
    Poirot fiel die Bitterkeit auf, mit der er das sagte.
    »Natürlich hätte ich an Norma denken müssen. Aber das Kind war bei seiner Mutter; es lebte in geordneten Verhältnissen. Ich schrieb ihr hin und wieder und schickte ihr Geschenke, aber ich bin nie auf den Gedanken gekommen, nach England zurückzukehren. Wissen Sie, ich lebte in einer völlig anderen Welt und hatte Angst, den Seelenfrieden des Kindes zu stören, wenn ich gelegentlich auftauchte, nur um gleich wieder zu verschwinden…«
    Restarick

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