Die vergessliche Mörderin
einem Blick, bei dem Poirot warm ums Herz wurde.
Poirot begleitete sie zur Wohnungstür. Goby war inzwischen aus der Küche in die Diele gekommen, wo er mit viel Talent die Rolle des Mannes mimte, der die Gasleitung überprüfen soll.
Er folgte Poirot ins Wohnzimmer, nahm auf einem steiflehnigen Stuhl Platz, holte ein Notizbuch mit vielen Eselsohren aus der Tasche, schlug es auf und wandte sich an den Siphon.
»Offenbar ist die Familie Restarick völlig okay.«
»Kein einziges schwarzes Schaf, keine – hm – Krankheiten?«
»Ich habe nichts finden können.«
»Wie enttäuschend.«
Goby räusperte sich, feuchtete den Finger an und blätterte um. »David Baker. Zwei Strafen sind zur Bewährung ausgesetzt worden. Die Polizei hat ein Auge auf ihn. Er soll an einem großen Kunstraub beteiligt gewesen sein, ist ihm aber nicht nachzuweisen. Bevorzugt Freundinnen mit Geld. Lässt sich von ihnen aushalten oder abfinden. Der Kerl taugt nichts, gar nichts, ist aber klug genug, kein Risiko einzugehen. Kennen Sie ihn?«
»Ja.«
»Was halten Sie von ihm, wenn ich fragen darf?«
»Dasselbe wie Sie.« Nachdenklich fügte Poirot hinzu: »Ein schillernder Typ.«
»Die Frauen rennen ihm nach«, sagte Goby. »Heute hat ein ordentlicher, fleißiger Junge keine Chancen. Die Mädchen schwärmen für Taugenichtse und Tagediebe.«
»Sie erinnern an einen Pfau, der Rad schlägt.«
»Kein schlechter Vergleich.«
»Können Sie sich vorstellen, dass er jemand mit einem Knüppel niederschlägt?«
Goby versank in Gedanken, schüttelte langsam den Kopf und sprach mit dem Heizofen. »Möglich wär’s meiner Meinung nach schon, aber es ist nicht seine Masche. Er macht alles auf die sanfte Tour, Gewalttätigkeit liegt ihm nicht.«
»Nein, das habe ich auch nicht angenommen. Sie sagten, man kann ihn kaufen?«
»Wenn es sich für ihn lohnt, lässt der jedes Mädchen sausen. Für Geld bestimmt!«
Poirot nickte. Er erinnerte sich, wie ihm Andrew Restarick das Scheckheft gezeigt hatte. Poirot hatte nicht nur die Unterschrift, sondern auch den Namen gelesen, auf den der Scheck ausgestellt war: David Baker, und die Summe war beträchtlich…
Goby fuhr nach einem Blick in das Notizbuch fort: »Aus Südafrika habe ich nicht viel erfahren können. Restarick war dauernd unterwegs, in Kenia, Uganda, an der Goldküste und sogar zeitweilig in Südamerika. Er war reich genug, um zu leben, wo es ihm Spaß machte. Verdient hat er auch viel. Alle, die ihn kennen gelernt haben, mochten ihn gut leiden. Aber er hat nie irgendwelche Verbindungen aufrechterhalten, weil er so rumzigeunert ist. Dreimal ist er totgesagt worden. Er verschwand irgendwo im Busch und tauchte nach fünf oder sechs Monaten plötzlich wieder auf, manchmal in einer ganz anderen Gegend. Durch den Tod des Bruders hat er anscheinend einen Schock bekommen und sich zur Rückkehr entschlossen, vielleicht auch unter dem Einfluss seiner jungen Frau. Sie soll Lehrerin gewesen sein.«
»Sie haben mir so viel Material geliefert, und ich weiß trotzdem noch nicht genug«, sagte Poirot. »Sind Sie sicher, dass es in der Umgebung des Mädchens keinen Todesfall gegeben hat? Das ist überaus wichtig…«
»Nein. Nichts deutet darauf hin. Sie hat in einer Firma gearbeitet, die kurz vor dem Bankrott steht, und nicht viel verdient. Und dass die Stiefmutter kürzlich zur Beobachtung im Krankenhaus war, wissen Sie ja.«
»Was ich brauche«, sagte Poirot blutrünstig, »ist ein T o desfall.«
Goby schüttelte bedauernd den Kopf und stand auf. »Haben Sie weitere Aufträge für mich?«
»Nein, im Augenblick nicht.«
Goby steckte das Notizbuch wieder ein. »Sir, entschuldigen Sie die Bemerkung, aber die junge Dame, die eben hier war…«
»Ja, was ist mit ihr?«
»Ich glaube, es hat mit Ihrem Fall nichts zu tun, aber ich dachte, ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich sie vor etwa zwei Monaten gesehen habe.«
»Und wo?«
»In den Kew Gardens.«
»In Kew Gardens?«, fragte Poirot erstaunt.
»Oh, ich habe nicht sie beschattet, sondern den Mann, mit dem sie sich getroffen hat.«
»Und wer war das?«
»Er dürfte für Sie kaum von Wichtigkeit sein, Sir. Ein junger Attaché einer ausländischen Botschaft.«
Poirot zog die Brauen hoch. »Das interessiert mich sogar sehr. Haben sich die beiden unterhalten?«
»Nein, Sir. Die junge Dame trug ein Buch bei sich. Sie setzte sich auf eine Bank, las ein Weilchen und legte das Buch neben sich. Dann kam er daher und setzte sich auch auf die Bank. Sie
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