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Die vergessliche Mörderin

Die vergessliche Mörderin

Titel: Die vergessliche Mörderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Augen und versuchte herauszufinden, wo sie war. Das Erste, was sie sah, war das Gesicht eines ihr fremden jungen Mannes, der in einem Notizbuch kritzelte; er hielt den gezückten Bleistift in der Hand.
    »Polizei«, verkündete Mrs Oliver energisch.
    »Wie bitte, Madam?«
    »Ich sagte, Sie wären ein Polizist. Habe ich Recht?«
    »Ja, Madam.«
    »Tätlicher Angriff«, flüsterte Mrs Oliver und klappte befriedigt die Augen zu. Als sie sie wieder aufschlug, nahm sie die Umwelt klarer wahr. Sie lag in einem hohen, ungeheuer hygienisch wirkenden Krankenhausbett. Nach einem prüfenden Blick erklärte sie: »Krankenhaus, vielleicht auch Sanatorium.«
    An der Tür stand eine etwas Furcht einflößende Krankenschwester, eine weitere hatte sich vor ihrem Bett postiert. Dann entdeckte sie noch eine vierte Person. »Aha«, sagte Mrs Oliver. »Den Schnurrbart gibt’s nur einmal. Was tun Sie hier, Monsieur Poirot?«
    Hercule Poirot schlich auf Zehenspitzen näher. »Madame, ich hatte Sie so gewarnt!«
    »Verirren kann sich jeder«, sagte Mrs Oliver. Und dann: »Mein Kopf tut weh.«
    »Kein Wunder. Wie Sie vermuteten: Sie haben einen Schlag auf den Kopf bekommen.«
    »Ja. Vom Pfau.«
    Der Polizist sah beunruhigt auf, »Verzeihung, Madame, behaupten Sie, von einem Pfau überfallen worden zu sein?«
    »Aber ja. Mir schwante schon so etwas, eine Art Vorahnung.«
    »Können Sie mir sagen, wo Sie überfallen wurden?«
    »Keinen Schimmer. Ich habe mich verlaufen. Ich kam von einem Atelier, einem schmutzigen Atelier. Der andere junge Mann hatte sich seit Tagen nicht rasiert. Schmierige Lederjacke, übrigens.«
    »Und er hat Sie überfallen?«
    »Nein, ein anderer.«
    »Wenn Sie mir sagen könnten…«
    »Das tue ich doch, oder? Ich habe ihn vom Café aus beschattet und bin in World’s End ausgestiegen. Natürlich dachte ich, er wäre einen anderen Weg gegangen. Stattdessen war er hinter mir her.«
    »Wer?«
    »Der Pfau«, sagte Mrs Oliver. »Er hat mich erschreckt. Na ja, ich hatte Angst. Weiß eigentlich nicht, warum. Er war nämlich sehr höflich und sagte: ›Kommen Sie mit ins Atelier.‹ Ich kroch also die Hühnerleiter rauf, und oben war der andere junge Mann, der Schmutzige. Er malte ein Bild, und das Mädchen saß ihm Modell. Sie war ziemlich sauber und recht hübsch. Na, sie waren alle nett und zuvorkommend, und als ich sagte, dass ich gehen müsste, haben sie mir den Weg zur King’s Road beschrieben. Kann aber nicht der Richtige gewesen sein, oder ich habe mich verlaufen. Passiert mir öfter. Jedenfalls war ich in einem Elendsviertel dicht am Fluss. Da hatte ich schon keine Angst mehr. Und deswegen habe ich nicht aufgepasst, als mir der Pfau eins über den Kopf gab.«
    »Ich glaube, sie fantasiert«, erklärte die Schwester.
    »Keine Spur!«, protestierte Mrs Oliver. »Ich weiß genau, was ich sage. Samt und Seide und lange Locken.«
    »Ein Pfau in Seide? Ein Pfau, Madame? Sie haben einen Pfau in Chelsea gesehen?«
    »Natürlich nicht! Wie kommen Sie denn auf so was? Was soll denn ein Pfau am Themsekai in Chelsea?«
    Darauf schien niemand eine Antwort geben zu können.
    »Er schlägt Rad«, sagte Mrs Oliver. »Deswegen habe ich ihn Pfau getauft. Er gibt an, verstehen Sie. Er ist eitel, stolz auf sein gutes Aussehen, und wahrscheinlich nicht nur darauf.« Jetzt wandte sie sich an Poirot. »David Sowieso. Sie wissen schon, wen ich meine.«
    »Und Sie bleiben dabei, dass dieser David Sie angegriffen und Ihnen den Schlag über den Kopf versetzt hat?«
    »Ja, freilich.«
    »Haben Sie ihn tatsächlich gesehen?«, erkundigte sich Hercule Poirot.
    »Gesehen habe ich ihn nicht. Ich habe überhaupt nichts gemerkt. Ich glaubte, etwas gehört zu haben, und ehe ich mich umdrehen konnte – war es schon geschehen. Als hätte man eine Tonne Ziegelsteine auf mich geschüttet. So, und jetzt möchte ich schlafen.«

13
     
    A ls Poirot vom Krankenhaus kam, machte ihm Miss Lemon auf.
    »Sie haben zwei Besucher«, empfing sie ihn. »Mr Goby und Sir Roderick Horsefield. Wen möchten Sie zuerst sprechen?«
    »Sir Roderick Horsefield.« In dem Augenblick stürzte Goby aus Miss Lemons Arbeitszimmer. »Ich werde mit George in der Küche Tee trinken«, verkündete er und verzog sich.
    Poirot betrat das Wohnzimmer, in dem Sir Roderick rüstig auf und ab marschierte. »Hab ich Sie glücklich aufgetrieben, alter Junge«, sagte er herzlich. »War gar nicht so einfach.«
    »Ich bin entzückt, Sie zu sehen«, entgegnete Poirot. »Darf ich Ihnen einen

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