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Die vergessliche Mörderin

Die vergessliche Mörderin

Titel: Die vergessliche Mörderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Mädchen sind dann fast hysterisch unglücklich, heiraten überstürzt und lassen sich bald darauf wieder scheiden.«
    »Und Norma hat nie Anzeichen von seelischer Labilität gezeigt?« Poirot blieb beharrlich bei seiner Frage.
    »Sie ist ein gefühlsbetontes, aber völlig normales Mädchen. Seel i sche Labilität! Wenn ich das schon höre! Ich kann nur wiederholen, dass das Unsinn ist. Wahrscheinlich ist sie mit einem jungen Mann davongelaufen, um ihn zu heiraten, und das halte ich nun für ungewöhnlich normal!«

21
     
    P oirot saß in seinem Ohrensessel. Neben ihm stand ein kleiner Tisch, auf dem sich Berge von Unterlagen stapelten. Noch einmal vergegenwärtigte er sich alle Einzelheiten dieses verworrenen Falles, die Menschen, die in ihn verwickelt waren.
    Zuerst Andrew Restarick… Poirot musste plötzlich an das Bild denken, das in Restaricks Büro an der Wand hing. Warum hatte er es nach London gebracht? Die Porträts der beiden Ehegatten gehörten doch zusammen. War das vielleicht eine Reaktion des Unterbewusstseins, durch die Restarick sich noch einmal von seiner ersten Frau trennen wollte? Wollte er sich immer noch von ihr befreien, obwohl sie doch tot war? Eine interessante Frage…
    Seine Gedanken wanderten zu Mary Restarick. Ihm fiel plötzlich auf, wie merkwürdig wenig er sich mit ihr beschäftigt hatte. Eine tüchtige Frau, die eine Perücke trug, die gut aussah, vernünftig war, aber auch wütend werden konnte. Ja, sie war sehr wütend gewesen, als sie den Pfau plötzlich im Haus entdeckt hatte. Doch das war nur natürlich; gegen ihn würde jede Mutter etwas einzuwenden haben…
    Poirot schüttelte den Kopf. Mary Restarick war ja nicht Normas Mutter. Was für Gefühle hegte sie also für ihre Stieftochter, die offenbar mit voller Absicht versuchte, sie zu vergiften?
    Ihre Reaktion wirkte durchaus vernünftig. Sie hatte das Mädchen aus dem Haus haben wollen, um nicht mehr gefährdet zu sein, und hatte alles versucht, ihrem Mann beizustehen und jeden Skandal zu vermeiden.
    Nur war für Poirot die Frage, wer Mary Restarick das Gift gegeben hatte, keineswegs geklärt. Restarick glaubte, seine Tochter habe es getan… Poirot war nicht so sicher. Er begann, über das Mädchen Sonja nachzudenken.
    Was tat sie in diesem Haus? Möglicherweise hatte sie Heiratsabsichten. Es kam oft genug vor, dass Männer in Sir Rodericks Alter blutjunge Mädchen heirateten. Für Sonja wäre das gar keine schlechte Lösung. Sie gewann einen Platz in der guten Gesellschaft, und wenn ihr Mann starb, war sie glänzend versorgt. Oder hatte sie völlig andere Ziele? War sie damals mit den Briefen Sir Rodericks nach Kew Ga r dens gefahren? Hatte Mary Restarick Verdacht geschöpft? Und hatte Sonja daraufhin dem Essen Gift in so kleinen Dosen beigemengt, dass kein Verdacht auf sie fiel und jeder an eine Gastritis dachte?
    Poirot verbannte Sir Rodericks Haus und seine Bewohner aus seinen Gedanken und wandte sich den drei Mädchen zu, die in London eine Wohnung teilten: Claudia, die Tochter eines bekannten Abgeordneten, wohlhabend, tüchtig, gut aussehend, eine erstklassige Sekretärin. Frances Cary, die Tochter eines Kleinstadtanwalts, künstlerisch begabt, ein paar Semester Schauspiel- und Zeichenunterricht, dann Angestellte einer Gemäldegalerie. Sie kannte David Baker, allerdings wohl nur flüchtig. War sie vielleicht in ihn verliebt? Warum gerade Mädchen aus guten Familien auf diesen Typ hereinfielen, war Poirot unverständlich. Und was hielt er nun von David? Ein hübscher Junge, frech und ein wenig süffisant; ein eitler Pfau, der sich in sein Spiegelbild verliebt hatte. Oder steckte mehr dahinter? Wollte der junge Mann Norma wirklich heiraten? Dass sie ihn liebte, stand wohl fest. Aber er hatte von Heirat gesprochen. Hatte Norma Geld, über das sie verfügen konnte? Poirot nahm sich das Testament der ersten Mrs Restarick vor. Offenbar war sie zu ihren Lebzeiten von ihrem Mann sehr großzügig bedacht worden und hatte außerdem ein eigenes Einkommen gehabt: jährlich etwa tausend Pfund. Sie hatte alles ihrer Tochter hinterlassen. Aber nach Poirots Meinung war dieser Betrag kein Grund, Norma zu heiraten. Wahrscheinlich würde Norma nach dem Tod ihres Vaters eine große Summe erben, aber darauf konnte man sich nicht verlassen.
    Also musste David sie wohl doch lieben. Trotzdem – all das passte nicht zusammen, es ergab kein Muster. Poirot dachte an Restaricks Schreibtisch, an den Scheck – offenbar hatte er sich damit von dem

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