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Die vergessliche Mörderin

Die vergessliche Mörderin

Titel: Die vergessliche Mörderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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offenbar und schien damit Recht zu haben. Falls nicht…
    Beim Gedanken an Andrew Restarick beschäftigte ihn mehr das Bild an der Wand als der Mann am Schreibtisch. Er erinnerte sich an das strenge Gesicht mit dem vorspringenden Kinn, an den entschlossenen Ausdruck. Dann dachte er an die verstorbene Mrs Andrew Restarick, an den bitteren Zug, der um den Mund lag… Vielleicht sollte er doch noch einmal aufs Land fahren, um das Porträt genauer zu prüfen. Es konnte ihm einen Hinweis auf Norma geben. Nein – Norma war jetzt noch nicht dran. Was wusste er noch?
    Mary Restarick, von der Sonja glaubte, dass sie einen Liebhaber hatte, weil sie so oft nach London fuhr. Nein, bei genauerem Überlegen glaubte er nicht, dass Sonja Recht hatte. Es passte viel besser zu Mary Restarick, dass sie nach London fuhr, um Häuser und Luxus-Appartements zu besichtigen, Möbel auszuwählen und all die Dinge, die man mit viel Geld in einer großen Stadt kaufen konnte.
    Geld… All seine Überlegungen liefen immer wieder darauf hinaus. In diesem Fall ging es um viel Geld. Bisher hatte er nichts gefunden, das seine Überzeugung rechtfertigte, dass Norma den Tod von Mrs Charpentier verschuldet hatte. Kein Indiz und kein Motiv; und dennoch glaubte er an eine Verbindung. Das Mädchen hatte gesagt, es habe vielleicht einen Mord begangen. In dem Haus, in dem sie wohnte, hatte sich ein Todesfall ereignet – ein oder zwei Tage vor ihrem Besuch bei ihm. Und das sollte bloßer Zufall sein? Wieder musste er an die geheimnisvolle Krankheit Mary Restaricks denken. Hatte Mary Restarick sich selbst vergiftet? Wollte ihr Mann sie vergiften? Hatte Sonja ihr das Gift eingegeben? Oder Norma? Poirot musste sich eingestehen, dass alles auf Norma hinwies.
    »Tout de même«, sagte er vor sich hin, »da ich nichts finden kann, muss ich die Logik über Bord werfen.«
    Seufzend erhob er sich und schickte George nach einem Taxi. Er musste zu Andrew Restarick.

19
     
    C laudia Reece-Holland war nicht im Büro. An ihrer Stelle nahm eine ältere Kontoristin Poirot in Empfang.
    »Nun?«, herrschte Restarick ihn ungeduldig an. »Was ist? Was ist mit meiner Tochter?«
    »Leider weiß ich noch nichts.« Poirot breitete die Arme aus.
    »Aber es muss doch irgendeine Spur, einen Hinweis geben! Das Mädchen kann sich ja nicht in Luft auflösen.«
    »Auch das ist schon vorgekommen.«
    »Es ist Ihnen hoffentlich klar, dass Geld keine Rolle spielt? Ich – ich kann einfach nicht mehr.« Er wirkte erschöpft und vergrämt. Er war abgemagert, und die rot geränderten Augen zeugten von Schlaflosigkeit.
    »Ich weiß, in wie großer Sorge Sie sind, und ich habe wirklich alles getan, um sie zu finden, aber solche Dinge brauchen eben ihre Zeit.«
    »Vielleicht hat sie das Gedächtnis verloren – oder sie ist – ich meine, sie könnte – krank sein.«
    Poirot setzte sich in den Besuchersessel. »Glauben Sie mir, ich weiß, in welcher Angst Sie leben, aber leider muss ich noch einmal betonen, dass die Polizei in solchen Fällen rascher arbeitet.«
    »Nein!«, schrie Restarick.
    »Sie verfügt über einen großen Apparat und hat viel mehr Möglichkeiten. Mit Geld allein können Sie nie die gleichen Resultate erzielen.«
    »Mann! Reden Sie mir doch nicht so begütigend zu! Norma ist meine Tochter. Mein einziges Kind!«
    »Haben Sie mir bestimmt alles erzählt? Alles, was es über Ihre Tochter zu berichten gibt?«
    »Was könnte ich Ihnen denn noch sagen?«
    »Das müssen Sie selber wissen. Vielleicht irgendein länger zurückliegendes Ereignis?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Zum Beispiel Vorfälle, die mit einer Geisteskrankheit zusammenhängen. «
    »Sie glauben, dass…«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Und woher sollte ich etwas wissen?« Restaricks Stimme wurde plötzlich bitter. »Es liegt alles so lange zurück. Grace war eine harte Frau; sie konnte weder vergessen noch verzeihen. Manchmal denke ich, dass ich ihr Norma nicht hätte ausliefern dürfen.«
    Er stand auf, wanderte im Zimmer umher, setzte sich endlich wieder. »Natürlich hätte ich meine Frau nicht mit dem Kind allein lassen dürfen. Damals hatte ich mir allerlei plausible Ausreden zurechtgelegt, aber heute frage ich mich, ob es richtig war. Ich hätte mich um das Kind kümmern müssen. Jetzt ist es zu spät, sich Vorwürfe zu machen.«
    Er beobachtete Poirot scharf. »Ja, als ich Norma wieder sah, fiel mir ihr haltloses, neurotisches Wesen auf. Ich hoffte, dass Mary und sie sich bald aneinander gewöhnen

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