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Die verlorene Bibliothek: Thriller

Die verlorene Bibliothek: Thriller

Titel: Die verlorene Bibliothek: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. M. Dean
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sorgen, dass ihre Reisetasche in sein Gästezimmer gebracht wurde, damit sie sie nicht in der Stadt mit rumschleppen musste.
    Emily verließ den Platz und bog nach links in die High Street ein. Traditionell befanden sich in den meisten britischen Städten auf der High Street sowohl Supermärkte als auch Luxusläden, doch in Oxford war das anders. Anstatt Schaufenster voller Elektronik und überteuerter Kleidung sah man hier ein College neben dem anderen, Cafés und nur wenige kleine Geschäfte. Der Einzelhandel der Stadt war schon vor relativ langer Zeit auf den Cornmarket gezogen, sodass die High Street nahezu eine kommerzfreie Zone war; dennoch war sie ständig verstopft von Bussen und Taxis.
    Emily ging die Straße hinunter zu einem Lokal, wo sie in ihrer Doktorandenzeit oft gewesen war. Es war ein kleines Eckcafé, direkt gegenüber dem Gebäude der Examination School, wo die meisten Vorlesungen abgehalten wurden. Das Café war schlicht und fand in jeder Hinsicht ihre Zustimmung: Der Kaffee war stark, es lag günstig, und die Atmosphäre war angenehm. Emily setzte sich, bestellte einen doppelten Espresso, schaute aus dem Fenster und beobachtete den steten Strom der Passanten.
    Nachdem Kyle erst einmal mit seiner Erklärung begonnen hatte, hatte er sie rasch überzeugt. So wie Emily sie gedeutet hatte, waren die Hinweise schlicht zu offensichtlich. Arnos Angst, dass jemand die Briefe finden könnte, bevor Emily sie in die Hände bekam, war offenbar groß genug gewesen, um Codes in Codes zu verstecken. Oxfords Wahrzeichen, die University Church, war als Teil des Täuschungsmanövers zerstört worden, um mögliche Verfolger abzuschütteln. Emily versuchte, den Druck zu verstehen, den Holmstrand verspürt haben musste, um so weit zu gehen, ein Stück Geschichte zu vernichten.
    Wer war dieser Mann wirklich? , fragte sich Emily. Welche Verbindungen, welche Macht muss ein Mann haben, um von seinem Büro in der Provinz von Minnesota aus die Zerstörung solch eines Gebäudes einzuleiten?
    Und was zum Teufel hat das alles mit mir zu tun? Das war die Frage, die Emily nicht mehr aus dem Kopf bekam. Und es war eine Frage, auf die sie noch nicht einmal ansatzweise eine Antwort hatte.
    Die eigentliche Frage war jedoch, wie sie die Hinweise entschlüsseln sollte, die Holmstrand so geflissentlich in Rätsel verpackt hatte. Emily wusste, dass sie anders denken musste, wenn sie nachvollziehen wollte, was in Arnos Kopf vorgegangen war. Kirche der Universität, älteste von allen. Der Name der Kirche war nicht nur offensichtlich, er war auch unmissverständlich. Es gab schlicht keine andere Kirche in Oxford, die die Bezeichnung ›Universität‹ im Namen trug. Wenn Arno damit auf etwas anderes hatte hinweisen wollen, musste Emily dann weiter in der Geschichte von Oxford zurückgehen? Hatte es vielleicht noch eine andere Kirche gegeben, die nach der Universität benannt gewesen war, wenn auch nur kurz? Geschichte ist stets im Fluss. Womöglich gab es einst eine Zeit, da diese Stadt kein religiöses Zentrum gewesen war. Oder war ›älteste von allen‹ lediglich ein weiteres Täuschungsmanöver?
    Eine Gruppe von Touristen kam am Fenster vorbei und fotografierte die Colleges am Straßenrand. Gedankenverloren schaute Emily zu, wie die Touristen vor den alten Gemäuern posierten, und der Augenblick auf den Speicherchips des Digitalzeitalters festgehalten wurde. Sie trank einen Schluck von ihrem dicken, schwarzen Kaffee.
    Oder vielleicht ist das mit der ›Kirche der Universität ja eine Täuschung. Wenn der erste Teil des Hinweises dazu gedacht war, den Leser in die Irre zu führen, dann musste Emily stattdessen nach der tatsächlich ältesten Kirche in Oxford suchen, egal ob die je etwas mit der Universität zu tun gehabt hatte oder nicht. Aber hieß das, die älteste Kirche, die noch stand, oder bezog sich das schlicht auf die ältesten Fundamente oder den ältesten Turm? Emily fielen auf Anhieb mindestens ein Dutzend Gebilde in einem Radius von einer Meile ein, die für sich beanspruchten, das älteste Gebäude der Stadt zu sein: der älteste Turm, die älteste Mauer, die ältesten Grundfesten, die ältesten Dächer. In einer Stadt, die vor Antiquitäten förmlich überquoll, versuchte jeder, sich irgendwie von den anderen Dingen abzuheben.
    Emily versuchte, sich wieder zu konzentrieren. Zu beten zwischen zwei Königinnen. Außerhalb des Kontextes der University Church wusste Emily nicht, wo sie nach dem zweiten Hinweis suchen

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