Die verlorene Bibliothek: Thriller
Holmstrand verspottete ihn noch im Tod.
Doch nun wusste er, wer dieser neue Helfer war. Diese Frau, Dr. Emily Wess, war nach England gereist und zwar zur gleichen Zeit wie seine Männer. Das bekräftigte die Vision des Sekretärs. Die Situation hatte sich verändert. Die Fakten waren andere – oder zumindest ihre Bedeutung. Er konnte nicht länger davon ausgehen, dass die Explosion in Oxford dazu gedient hatte, etwas vor dem Rat zu verbergen … zumindest nichts, was sich in der Kirche befunden hatte.
Der Plan des Bewahrers war geschickt, aber er hatte auch einen Fehler. Als er ein paar Seiten aus einem Buch gerissen hatte, das allgemein zugänglich war, war ihm mit Sicherheit bewusst gewesen, dass der Rat diese Seiten problemlos rekonstruieren konnte. Jason war einfach in die nächste Buchhandlung gegangen und hatte ein neues Exemplar des Buches gekauft. Holmstrand hatte noch nicht einmal eine seltene Sonderausgabe verwendet, um sicherzustellen, dass sie das Buch auch ja finden würden. Und was war auf den fraglichen Seiten zu sehen gewesen? Die University Church in Oxford.
Dann, just in dem Augenblick, als der Sekretär das Objekt entdeckt hatte, von dem der Bewahrer gewusst hatte, dass sie es finden würden, hatte er von dessen Zerstörung erfahren. Eine Explosion, nur wenige Minuten, nachdem der Bewahrer terminiert worden war. Die Verbindung war klar, und das Ausmaß des Plans hatte den Sekretär zwar überrascht, doch nicht die Absicht des Bewahrers, sie zu einem Schatz zu führen, nur um ihn ihnen im letzten Augenblick vor der Nase wegzuschnappen. Holmstrand hatte auch früher schon solch rachsüchtige Spielchen gespielt.
Die nächsten Schritte waren dann automatisch erfolgt, und nun erkannte der Sekretär, dass genau das sein Fehler gewesen war. Ein offensichtliches Ziel, ein offensichtliches Versteck … Ohne Zögern hatte er die Freunde das Offensichtliche tun lassen und sie auf die Suche nach dem geschickt, was unter den Trümmern verborgen war.
Tief in seinem Herzen wusste er, dass er es hätte besser wissen müssen, auch wenn er sich das selbst nie eingestehen würde. Er hätte hinter das Offensichtliche schauen und erkennen müssen, dass er manipuliert worden war. Nach all den Jahren hätte er das Spiel des Bewahrers durchschauen müssen.
Aber im Nachhinein wusste man ja immer alles besser. Das mochte ja ein Klischee sein, aber es war auch wahr. Doch wie auch immer … Nun saß der Sekretär an seinem Schreibtisch und war fest davon überzeugt, das Täuschungsmanöver seines Feindes durchschaut zu haben. Er war in die Irre geleitet worden, doch er hatte den Weg zurück gefunden. Die Männer in Minnesota hatten gut gearbeitet.
Die Verbindung kam zustande, und der doppelte Klingelton drang aus dem Hörer. Einen Augenblick später hob jemand ab.
»Ich bin hier.«
»Und wo genau ist ›hier‹?«, verlangte der Sekretär zu wissen.
»Unmittelbar vor dem Tatort«, antwortete Jason. »Es ist inzwischen dunkel geworden, sodass die Polizei uns gebeten hat, das Gelände zu verlassen, damit sie Flutlicht aufbauen können. Die Verzögerung wird nicht lange dauern. In ein paar Minuten sind wir wieder in der Kirche zurück. Die Liste aus London ist vollständig, und sie haben uns gebeten, noch ein paar weiße Flecken bei unseren Scans zu füllen. Da könnte etwas sein.«
»Nein«, sagte der Sekretär schlicht. Wie erwartet, stellte Jason weder Fragen, noch widersprach er ihm. Stattdessen schwieg er und wartete auf Befehle. Jason war trotz seiner jungen Jahre der engste Vertraute des Sekretärs unter den Freunden. Er war gut ausgebildet und absolut zuverlässig.
»Die Umstände haben sich geändert«, fuhr der Sekretär fort. »Da ist nichts in der Kirche. Das ist nur ein Ablenkungsmanöver.«
Auf der anderen Seite des Atlantiks verspannte Jason sich. Er schwieg weiterhin, doch langsam keimte Wut in ihm auf. Er mochte es gar nicht, getäuscht zu werden.
Der Sekretär erriet seine Wut.
»Machen Sie sich keine Sorgen, mein Freund. Zu guter Letzt haben wir das Manöver durchschaut – wie immer.«
»Was ist unser nächster Schritt?«, fragte Jason. Frust konnte man nur bekämpfen, indem man sich ein neues Ziel setzte.
»Wir drehen den Spieß um.« Der Sekretär setzte sich aufrecht hin. »Ich werde Ihnen eine Datei mit einem Foto schicken. Diese Frau, Dr. Emily Wess, ist in Oxford. Sie hat nun Priorität. Sie hat ein Blackberry mit einer registrierten Nummer. Ihr Team sollte sie ohne Probleme darüber
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