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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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verschaffen,
    schwinde mit dem Interesse an ihrer Wohnung auch Katharinas Interesse an
    ihrem Beruf. An diesem Punkt der Aussage wurde auch Frau Woltersheim
    darüber belehrt, daß es nicht Sache der Polizei oder der Staatsanwaltschaft
    sei, »gewisse gewiß verwerfliche Formen des Journalismus strafrechtlich zu
    verfolgen«. Die Pressefreiheit dürfe nicht leichtfertig angetastet werden, und sie
    dürfe davon überzeugt sein, daß eine Privatklage gerecht behandelt und gegen
    illegitime Informationsquellen eine Anzeige gegen Unbekannt erhoben werde.
    Es war der junge Staatsanwalt Dr. Korten, der hier ein fast leidenschaftlich zu
    nennendes Plädoyer für die Pressefreiheit und für das Informationsgeheimnis
    hielt und ausdrücklich betonte, daß, wer sich nicht in schlechte Gesellschaft
    begebe oder in solche gerate, ja auch der Presse keinerlei Anlaß zu vergröberten
    Darstellungen gebe.
    Das Ganze – etwa das Auftauchen Göttens und des ominösen, als Scheich
    verkleideten Karl – lasse doch Schlüsse auf eine merkwürdige Sorglosigkeit im
    gesellschaftlichen Umgang zu. Das sei ihm noch nicht hinreichend geklärt, und
    er rechne damit, bei der Vernehmung der beiden betroffenen oder betreffenden
    jungen Damen plausible Erklärungen zu bekommen. Ihr, Frau Woltersheim, sei
    der Vorwurf nicht zu ersparen, daß sie in der Auswahl ihrer Gäste nicht gerade
    wählerisch sei. Frau Woltersheim verbat sich diese Belehrung durch einen
    wesentlich jüngeren Herrn und verwies darauf, daß sie die beiden jungen Damen
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    Heinrich Böll
    Die verlorene Ehre der Katharina Blum
    eingeladen habe, mit ihren Freunden zu kommen, und daß es ihr allerdings
    fernliege, Freunde, die ihre Gäste mitbrächten, nach dem Personalausweis
    und dem polizeilichen Führungszeugnis zu fragen. Sie mußte einen Verweis
    entgegennehmen und darauf aufmerksam gemacht werden, daß hier das Alter
    keine, die Position des Staatsanwalts Dr. Korten aber eine erhebliche Rolle spiele.
    Immerhin untersuche man hier einen ernsten, einen schweren, wenn nicht den
    schwersten Fall von Gewaltkriminalität, in den Götten nachweislich verwickelt
    sei. Sie müsse es schon dem Vertreter des Staates überlassen, welche Details
    und welche Belehrungen er für richtig halte. Nochmals gefragt, ob Götten und
    der Herrenbesuch ein und dieselbe Person sein könnten, sagte die Woltersheim,
    nein, das könne mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Als sie dann aber gefragt
    wurde, ob sie den »Herrenbesuch« persönlich kenne, je gesehen habe, ihm
    je begegnet sei, mußte sie das verleugnen, und da sie auch ein so wichtiges
    intimes Detail, wie die merkwürdigen Autofahrten nicht gewußt hatte, wurde
    ihre Vernehmung als unbefriedigend bezeichnet, und sie wurde »mit einem
    Mißton« vorläufig entlassen. Bevor sie den Raum, offenbar verärgert, verließ,
    gab sie noch zu Protokoll, daß der als Scheich verkleidete Karl ihr mindestens so
    verdächtig erschienen sei wie Götten. Jedenfalls habe er auf der Toilette ständig
    Selbstgespräche geführt und sei dann ohne Abschied verschwunden.
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    Da nachweislich die siebzehnjährige Verkäuferin Hertha Scheumel den Götten
    mit zur Party gebracht hatte, wurde sie als nächste vernommen. Sie war
    offensichtlich verängstigt, sagte, sie habe noch nie mit der Polizei zu tun gehabt,
    gab aber dann eine relativ plausible Erklärung über ihre Bekanntschaft mit Götten
    ab. »Ich wohne«, sagte sie aus, »mit meiner Freundin Claudia Sterm, die in einer
    Schokoladenfabrik arbeitet, zusammen in einem Ein-Zimmer-Küche-Dusche-
    Appartement. Wir stammen beide aus Kuir-Oftersbroich, sind beide sowohl
    mit Frau Woltersheim wie mit Katharina Blum weitläufig verwandt (obwohl
    die Scheumel die Weitläufigkeit der Verwandtschaft genauer darstellen wollte,
    indem sie auf Großeltern verwies, die Vettern bzw. Kusinen von Großeltern
    gewesen waren, wurde auf eine detaillierte Bezeichnung ihrer Verwandtschaft
    verzichtet und der Ausdruck ›weitläufig‹ als ausreichend angesehen). Wir nennen
    Frau Woltersheim Tante und betrachten Katharina als Kusine. An diesem Abend,
    am Mittwoch, dem . Februar , waren wir beide, Claudia und ich, in
    großer Verlegenheit. Wir hatten Tante Else versprochen, unsere Freunde zu
    dem kleinen Fest mitzubringen, weil es sonst an Tanzpartnern fehlen würde.
    Nun war aber mein Freund, der zur Zeit bei der Bundeswehr dient, genauer
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