Die verlorene Ehre der Katharina Blum
nicht genannt worden, aber
vielleicht solltest du doch Maud anrufen, die sicher erregt und trostbedürftig
ist. Übrigens hat man gleichzeitig mit Götten an anderen Orten drei seiner
angeblichen Komplizen geschnappt. Das ganze gilt als triumphaler Erfolg eines
gewissen Kommissars Beizmenne. Und nun mach dich auf die Socken, lieber
Alois, und statte zur Abwechslung deiner guten Frau mal einen Herrenbesuch
ab.«
Man kann sich vorstellen, daß es an dieser Stelle in Blornas Arbeitszimmer
fast zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen wäre, die dem Milieu
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und der Ausstattung des Raumes keineswegs entsprachen. Sträubleder soll – soll
– tatsächlich versucht haben, Trude Blorna an die Kehle zu springen, von ihrem
Mann aber daran gehindert und drauf hingewiesen worden sein, daß er sich an
einer Dame doch nicht vergreifen wolle. Sträubleder soll – soll – daraufhin gesagt
haben, er sei nicht sicher, ob die Definition Dame auf eine so scharfzüngige Frau
noch zutreffe, und es gebe eben Worte, die man in gewissen Zusammenhängen
und vor allem, wenn tragische Ereignisse vermeldet würden, nicht ironisch
verwenden dürfe, und wenn er noch einmal, noch ein einziges Mal das ominöse
Wort zu hören bekomme, dann – ja, was dann – nun, dann sei es aus. Er hatte das
Haus noch kaum verlassen, und Blorna hatte noch keine Gelegenheit, Trude zu
sagen, sie sei nun doch vielleicht etwas zu weit gegangen, als diese ihm das Wort
regelrecht abschnitt und sagte: »Katharinas Mutter ist diese Nacht gestorben. Ich
habe sie tatsächlich in Kuir-Hochsackel aufgetrieben.«
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Bevor die letzten Um-, Ein-, Ablenkungsmanöver gestartet werden, muß hier
eine sozusagen technische Zwischenbemerkung gestattet werden. In dieser
Geschichte passiert zu viel. Sie ist auf eine peinliche, kaum zu bewältigende
Weise handlungsstark: zu ihrem Nachteil. Natürlich ist es ziemlich betrüblich,
wenn eine freiberuflich arbeitende Hausangestellte einen Journalisten erschießt,
und ein solcher Fall muß aufge- oder wenigstens versuchsweise erklärt werden.
Aber was macht man mit Erfolgsanwälten, die einer Hausangestellten wegen den
sauer verdienten Skiurlaub abbrechen? Mit Industriellen (die im Nebenberuf
Professor und Parteimanager sind), die in einer schon unreifen Sentimentalität
eben dieser Hausangestellten Schlüssel zu Zweitwohnungen (und sich selbst
dazu) geradezu aufdrängen; beides ohne Erfolg, wie man weiß; die einerseits
Publicity wollen, aber nur eine bestimmte Art; lauter Dinge und Leute, die
einfach nicht synchronisierbar sind und dauernd den Fluß (bzw. den linearen
Handlungsablauf) stören, weil sie sozusagen immun sind. Was macht man mit
Kriminalbeamten, die dauernd nach Zäpfchen verlangen und sie auch bekommen?
Kürzer gesagt: es ist alles zu durchlässig und doch im entscheidenden Augenblick
für einen Berichterstatter nicht durchlässig genug, weil zwar das eine oder andere
(etwa von Hach und einigen Polizeibeamten und -beamtinnen) zu erfahren ist,
aber nichts, rein gar nichts von dem, was sie sagen, auch nur andeutungsweise
beweiskräftig wäre, weil es vor keinem Gericht bestätigt oder auch nur ausgesagt
würde. Es hat keine Zeugniskraft! Nicht den geringsten Öffentlichkeitswert. Zum
Beispiel diese ganze Zäpfchenaffäre. Das Anzapfen von Telefonleitungen dient
natürlich der Ermittlung, das Ergebnis darf aber – da es von einer anderen als
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der ermittelnden Behörde vorgenommen wird – in einem öffentlichen Verfahren
nicht nur nicht verwendet, nicht einmal erwähnt werden. Vor allem: was passiert
in der sogenannten Psyche der Telefonzapfer? Was denkt sich ein unbescholtener
Beamter, der nichts als seine Pflicht tut, der sozusagen, wenn nicht unter Befehls-,
dann aber sicher unter Broterwerbsnotstand seine (ihm möglicherweise
widerwärtige) Pflicht tut, was denkt er sich, wenn er mit anhören muß, wie jener
unbekannte Hausbewohner, den wir hier kurz den Zärtlichkeitsanbieter nennen
wollen, mit einer so ausgesprochen netten, adretten, fast unbescholtenen Person
wie Katharina Blum telefoniert? Gerät er in sittliche oder geschlechtliche oder
in beide Arten von Erregung? Empört er sich, hat er Mitleid, bereitet es ihm
gar ein merkwürdiges Vergnügen, wenn da eine Person, die den Spitznamen
»Nonne« trägt, durch heiser hingestöhnte,
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