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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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verloren, auf dem Flugplatz da im Nebel. Eine Stunde,
    nachdem ihr die Nerven oder die Geduld verloren habt, hat sich nämlich der
    Nebel gelichtet, und ihr hättet immer noch gegen . Uhr hier sein können.
    Ihr hättet sogar bei ein wenig ruhigem Nachdenken noch in München den
    Flughafen anrufen, herausfinden können, daß keine Behinderung mehr vorlag.
    Aber Schwamm darüber. Um nicht mit »falschen gezinkten Karten zu spielen
    – selbst wenn kein Nebel gewesen und das Flugzeug planmäßig abgeflogen
    wäre, wärst du zu spät gekommen, weil der entscheidende Teil der Vernehmung
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    dann längst abgeschlossen gewesen und im übrigen nichts mehr zu verhindern
    gewesen wäre.«
    »Ich kann gegen die ZEITUNG ohnehin nicht an«, sagte Blorna.
    »Die ZEITUNG«, sagte Sträubleder, »stellt keine Gefahr dar, das hat Lüding
    in der Hand, aber es gibt ja auch noch Zeitungen, und ich kann jede Art von
    Schlagzeilen gebrauchen, nur diese Art nicht, die mich mit den Banditen in
    Verbindung bringt. Eine romantische Frauengeschichte bringt mich höchstens
    privat in Schwierigkeiten, nicht öffentlich. Da würde nicht einmal ein Foto mit
    einer so attraktiven Frau wie Katharina Blum schaden, im übrigen wird die
    Herrenbesuchstheorie fallengelassen und weder Schmuck noch Brief – nun ja,
    ich habe ihr einen ziemlich kostbaren Ring geschenkt, den man gefunden hat, und
    ein paar Briefe geschrieben, von denen man nur einen Umschlag gefunden hat
    – werden Schwierigkeiten bereiten. Schlimm ist, daß dieser Tötges unter einem
    anderen Namen für Illustrierte die Sachen schreibt, die er in der ZEITUNG
    nicht bringen darf, und daß – nun ja – Katharina ihm ein Exklusivinterview
    versprochen hat. Ich habe das vor wenigen Minuten von Lüding erfahren, der
    auch dafür ist, daß Tötges das Interview wahrnimmt, weil man ja die ZEITUNG
    in der Hand hat, aber man hat keinen Einfluß auf Tötges weitere journalistischen
    Aktivitäten, die er über einen Strohmann abwickelt. Du scheinst überhaupt nicht
    informiert zu sein, wie?« »Ich habe keine Ahnung«, sagte Blorna.
    »Ein merkwürdiger Zustand für einen Anwalt, dessen Mandant ich immerhin
    bin, – das kommt davon, wenn man in Rüttel- und Schüttelzügen sinnlos Zeit
    verplempert, anstatt sich einmal mit Wetterämtern in Verbindung zu setzen, die
    einem hätten sagen können, daß der Nebel sich bald lichten wird. Du hast also
    offenbar noch keine Verbindung mit ihr?«
    »Nein, du denn?«
    »Nein, nicht direkt. Ich weiß nur, daß sie vor ungefähr einer Stunde bei
    der ZEITUNG angerufen und Tötges für morgen nachmittag ein Exklusiv-
    Interview versprochen hat. Er hat angenommen. Und es ist da noch eine Sache,
    die mir mehr, bedeutend mehr Kummer, die mir regelrecht Magenschmerzen
    verursacht« (hier wirkte Sträubleders Gesicht fast bewegt und seine Stimme
    bekümmert), »du kannst mich ab morgen beschimpfen, soviel du willst, weil
    ich euer Vertrauen ja wirklich mißbraucht habe – aber andererseits leben wir
    ja wirklich in einem freien Land, wo es auch gestattet ist, ein freies Liebesleben
    zu führen, und du mußt mir glauben, ich würde alles tun, um ihr zu helfen, ich
    würde sogar meinen Ruf aufs Spiel setzen, denn – du darfst getrost lachen – ich
    liebe diese Frau, nur: ihr ist nicht mehr zu helfen – mir ist noch zu helfen – sie
    läßt sich einfach nicht helfen …«
    »Und gegen die ZEITUNG kannst du ihr auch nicht helfen, gegen diese
    Schweine?«
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    »Mein Gott, du mußt das nicht so schwer nehmen mit der ZEITUNG, auch
    wenn sie euch jetzt ein bißchen in die Zange nehmen. Wir wollen uns doch hier
    nicht über Boulevardjournalismus und Pressefreiheit streiten. Kurz gesagt, ich
    hätte gern, wenn du bei dem Interview dabei sein könntest, als mein und ihr
    Anwalt. Das Heikelste ist nämlich bisher weder bei den Vernehmungen noch in
    der Presse herausgekommen: ich habe ihr vor einem halben Jahr den Schlüssel zu
    unserem Zweithaus in Kohlforstenheim regelrecht aufgedrängt. Den Schlüssel
    hat man weder bei der Haussuchung noch bei der Leibesvisitation gefunden,
    aber sie hat ihn oder hat ihn wenigstens gehabt, wenn sie ihn nicht einfach
    weggeworfen hat. Es war einfach Sentimentalität, nenne es wie du willst, aber
    ich wollte, daß sie einen Schlüssel zum Haus da hat, weil ich die Hoffnung nicht
    aufgeben wollte, daß

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