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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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drohend vorgebrachte Angebote in
    den Tiefen ihrer Seele verletzt wird? Nun, es geschieht so vieles im Vordergrund
    – mehr noch im Hintergrund. Was denkt sich ein harmloser, lediglich sein sauer
    verdientes Brot erwerbender Anzapfer zum Beispiel, wenn da ein gewisser
    Lüding, der hier gelegentlich erwähnt wurde, die Chefredaktion der ZEITUNG
    anruft und etwa sagt: »Sofort S. ganz raus, aber B. ganz rein.« Natürlich wird
    Lüding nicht angezapft, weil er beobachtet werden muß, sondern weil die Gefahr
    besteht, daß er – etwa von Erpressern, Polit-Gangstern etc. – angerufen wird.
    Wie soll so ein unbescholtener Mithörer wissen, daß mit S. Sträubleder gemeint
    ist, mit B. Blorna und daß man in der SONNTAGSZEITUNG nicht mehr über S.,
    aber viel über B. wird lesen können. Und doch – wer soll das schon wissen oder
    auch nur ahnen – ist Blorna ein von Lüding äußerst geschätzter Anwalt, der fast
    unzählige Male sein Geschick bewiesen hat, national und international. Nichts
    anderes ist gemeint, wenn hier an anderer Stelle von Quellen gesprochen worden
    ist, die »zueinander nicht kommen können«, wie die Königskinder, denen die
    falsche Nonne die Kerze ausblies – und irgendeiner versank da ziemlich tief,
    ertrank. Und da läßt Frau Lüding durch ihre Köchin bei der Sekretärin ihres
    Mannes anrufen, um herauszubekommen, was Lüding wohl am Sonntag gern
    zum Nachtisch essen würde: Palatschinken mit Mohn? Erdbeeren mit Eis und
    Sahne oder nur mit Eis oder nur mit Sahne, woraufhin die Sekretärin, die
    ihren Chef nicht belästigen möchte, seinen Geschmack aber kennt, die aber
    möglicherweise auch nur Ärger bzw. Umstände verursachen will, der Köchin mit
    ziemlich spitzer Stimme erklärt, sie sei ganz sicher, daß Herr Lüding an diesem
    Sonntag Karamelpudding mit Krokantsouce vorziehen würde; die Köchin,
    die natürlich auch Lüdings Geschmack kennt, widerspricht und sagt, das sei
    ihr neu, ob die Sekretärin sicher sei, daß sie nicht ihren eigenen Geschmack
    mit dem des Herrn Lüding verwechsle, und ob sie nicht doch durchstellen
    könne, damit sie direkt mit Herrn Lüding über seine Nachtischwünsche
    sprechen könne. Daraufhin die Sekretärin, die gelegentlich mit Herrn Lüding
    als Konferenzsekretärin unterwegs ist und in irgendwelchen PALACE-Hotels
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    oder Inter-Herbergen mit ihm ißt, behauptet, wenn sie mit ihm unterwegs sei,
    esse er immer Karamelpudding mit Krokantsauce; die Köchin: aber am Sonntag
    sei er eben nicht mit ihr, der Sekretärin, unterwegs und ob es nicht möglich sei,
    daß Lüdings Nachtischwünsche eben abhängig seien von der Gesellschaft, in
    der er sich befinde. Etc. Etc. Schließlich wird noch lange über Palatschinken mit
    Mohn gestritten – und dieses ganze Gespräch wird auf Kosten des Steuerzahlers
    auf Tonband aufgenommen! Denkt der Tonbandabspieler, der natürlich darauf
    achten muß, ob hier nicht ein Anarchistencode verwendet worden ist, ob mit
    Palatschinken nicht etwa Handgranaten und bei Eis mit Erdbeeren Bomben
    gemeint sind – doch möglicherweise: die haben Sorgen oder: die Sorgen möchte
    ich haben, denn ihm ist möglicherweise gerade die Tochter durchgebrannt oder
    der Sohn dem Hasch verfallen oder die Miete mal wieder erhöht worden, und
    das alles – diese Tonbandaufnahmen – nur, weil gegen Lüding einmal eine
    Bombendrohung ausgesprochen worden ist; so erfährt ein unschuldiger Beamter
    oder Angestellter endlich einmal, was Palatschinken mit Mohn sind, er, dem die
    schon als Hauptmahlzeit genügen würden, wenn auch nur einer .
    Es passiert zuviel im Vordergrund, und wir wissen nichts von dem, was im
    Hintergrund passiert. Könnte man sich die Tonbänder mal vorspielen lassen!
    Um endlich etwas zu erfahren, wie – oder ob überhaupt intim etwa Frau Else
    Woltersheim mit Konrad Beiters ist. Was bedeutete das Wort Freund, wenn
    es um die Beziehung dieser beiden geht? Nennt sie ihn Schatz, Liebling, oder
    sagt sie nur Konrad oder Conny zu ihm; welche Art verbaler Zärtlichkeiten
    tauschen sie, wenn überhaupt, miteinander aus? Singt er, von dem bekannt ist,
    daß er einen guten, fast konzert-, aber mindestens chorreifen Bariton hat, ihr
    vielleicht am Telefon Lieder vor? Serenaden? Schlager? Arien? Oder wird da
    gar in grober Weise über vergangene oder geplante Intimitäten referiert? Das
    möchte man doch gern wissen, denn da den meisten Menschen

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