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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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ihrer Mutter zuckten. Sie versuchte, ihr Weinen zu unterdrücken, doch gelingen wollte es ihr nicht. Schweigend hielt Helene sie fest, bis sich die Mutter selbst von ihr löste. Mit dem Handrücken fuhr Emmeline sich über die Augen.
    »Es tut mir leid, Lele. Hoffentlich fragt Vater nicht, warum ich geweint habe.«
    Helene nickte. Ganz plötzlich überkam sie ein Unbehagen, vor dem sie nur noch fliehen wollte.
    »Darf ich, Mutter?«, fragte sie. »Darf ich hinausgehen?«
    »Natürlich, Liebes.« Ein trauriges Lächeln umschattete Emmelines Mund. »Geh nur, du hast mir schon gut geholfen.«
    »Danke!«, stieß Helene atemlos hervor. Die Tür flog auf, nicht schnell genug, wie es ihr schien. Sie rannte den Flur entlang zur Tür hinaus und über den Hof. Sie rannte, rannte und rannte mit fliegenden Röcken und fliegendem Haar, bis es ihr in der Kehle brannte, bis ihr der Kopf leer war und sie nichts mehr denken konnte. Auch als ihr die Knie zu zittern begannen und sie meinte, kaum noch einen Schritt machen zu können, rannte sie weiter.
    Sie erreichte den Wingert, in dem sie Marianne und Gianluca gemeinsam gesehen hatte. Sie ging weiter, brach zum ersten Mal in die Knie, rappelte sich auf, schleppte sich weiter, stürzte erneut.
    Als sie zum dritten Mal stürzte, stand Helene nicht mehr auf. Sie grub die Hände in die Erde. Die Tränen kamen, ohne dass sie es verhindern konnte. Sie liefen über ihre Wangen, und als sie sie mit ihren Fingern fortwischte, vermischten sie sich auf ihrem Gesicht mit Schmutz und Erde. Sie schämte sich. Sie schämte sich so unendlich und wollte trotzdem nicht ändern, was geschehen war. Marianne brauchte sie. Ihre Mutter brauchte sie. Sie beide brauchten sie. Und auch der Vater. Zum ersten Mal in ihrem Leben, wie es Helene schien. Zum ersten Mal, seit sie denken konnte, hatte ihr Leben einen Zweck.

F ünfzehntes Kapitel
    »Wie geht es ihr?« Der Vater hatte Helene am Kücheneingang abgefangen und hielt sie nun am Arm fest. Helene überlegte kurz, ob sie sich losreißen sollte, blieb dann aber stehen. Wenn sie an ihm vorbeisah, konnte sie den Dachfirst sehen, den Schornstein, aus dem Rauchwolken aufstiegen, die Schwalbennester. Nur kurz, als sie antwortete, schaute sie ihren Vater an.
    »Sie fragt weiterhin nach ihrer Tochter.«
    Der Vater schaute zu Boden. »Ich hatte nichts anderes erwartet. Sie ist ein dickköpfiges Mädchen. Besuch sie weiter, ja? Sprich mit ihr. Sag ihr, dass es besser ist, wenn sie das Kind vergisst. Sie kann neue Kinder bekommen, wenn sie erst verheiratet ist. Außerdem«, er warf einen Blick über seine Schulter zurück, um zu sehen, was seine Tochter da anstarrte, »verliert man immer Kinder. Damit muss man leben. Gott schenkt, und Gott nimmt.«
    Helene richtete den Blick auf das rechte Schwalbennest. Sie antwortete nicht.
    Am nächsten Tag besuchte sie ihre Schwester. Marianne hatte sich mittlerweile einige Dinge aus ihrem Zimmer bringen lassen. Die Kammer sah wohnlicher aus, wenn ihre Schwester auch nicht glücklich wirkte. Als Helene dieses Mal die Tür öffnete, saß sie noch über ihren Brief gebeugt an dem kleinen Tischchen. Kaum hatte sie die letzten Worte geschrieben, blies sie hastig darüber und faltete den Brief, um ihn der Schwester zu überreichen.
    »Du gibst ihn doch an Friedel weiter, ja?«
    Helene nickte. »Aber natürlich tue ich das«, antwortete sie und wunderte sich, dass ihre Stimme so fest klang.

S echzehntes Kapitel
    Mariannes Brief knisterte unter dem Mieder auf Helenes nackter Haut, knisterte so laut, dass diese befürchtete, jeder müsse es hören. Ihre Mutter sah zur Küchentür heraus, als sie Schritte hörte, und lächelte ihre Jüngste an.
    »Warst du bei Marianne?« Sie streckte die Hand aus, um über Helenes Wange zu streicheln. »Du bist so ein gutes Kind, das habe ich deinem Vater immer gesagt, so ein gutes Kind.«
    Helene schlug die Augen nieder. Der Brief auf ihrer Haut brannte jäh wie Feuer, doch ihre Mutter bemerkte nichts.
    »Ich muss weiter«, stieß sie nach einer Zeit hervor, die sich schon ins Unendliche zu dehnen drohte. »Der Anton, ich wollte den Anton noch besuchen.«
    »Geh nur, Kind, aber komm nicht so spät nach Hause. Ich will dich nicht auch noch verlieren.«
    »Aber Mama!«
    Emmeline schüttelte nur traurig den Kopf. Auf dem Weg durch den Flur zur Tür hin, zwang Helene sich, gemächlich zu gehen. Auch den Hof durchquerte sie langsamen Schritts und ein Stück des Wegs, bis sie in einen Pfad linker Hand einbog.

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