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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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wirst mitkommen, denn ich nehme in jedem Fall unsere Tochter mit, die du hier auf dem Lande hast verwahrlosen lassen.«
    »Ich habe sie nicht …«
    »Beeil dich lieber, denn wir wollen doch nicht, dass dir dein lieber Onkel zu Hilfe kommt und verletzt wird, oder?«
    Claire spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich.
    Als sie sich kurz darauf auf dem Weg befanden, wusste sie kaum, wie es ihr gelang, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Auf der Hügelkuppe angekommen, von der aus man den ersten Blick auf das Gut hatte, drehte sie sich noch einmal um und wurde wenig später brutal weitergerissen.
    In Bad Kreuznach bestiegen sie den Zug. Während der Reise saß immer einer der Männer bei ihr im Abteil, wäh rend sich die zwei anderen im Rauchersalon vergnügten. Bald hämmerte das gleichmäßige Rattern des Zuges in Claires Kopf. Hier im Abteil durfte sie Friederike endlich wieder in ihren Armen halten. Nur mit Mühe war die Kleine eingeschlafen. Auch sie spürte wohl, dass etwas nicht stimmte. Claire drückte das kleine Mädchen enger an sich, streichelte ihrer Tochter sanft über den Rücken. Inzwischen näherte sich schon das Ende der Reise. Mittlerweile saß Wilhelm ihr wieder gegenüber und ließ sie beide nicht aus den Augen.
    Was will er von mir, schoss es Claire durch den Kopf, was will er wirklich von mir und meiner Tochter?

F ünftes Kapitel
    Die Sonne kam Claire heller vor, als sie nach drei Tagen durch die Gefängnisschleuse auf die Straße trat. Der diensthabende Wachmann nickte ihr kurz zu. Offenbar hatte er Mitleid mit der jungen Frau, die da vor ihm stand, wenn er auch kein Wort des Verständnisses fand. Einen Moment noch blieb Claire stehen, dann setzte sie sich ziellos in Bewegung. Sie wusste nicht, wohin sie gehen sollte. Zuerst einmal wollte sie nur weg von diesem Ort.
    Während sie lief, hielt sie den Kopf gesenkt. Sie hatte es nicht glauben wollen, als Wilhelm sie auf die Polizeiwache gebracht hatte, wo man sie umgehend in Gewahrsam genommen hatte. Untersuchungshaft. Sie fühlte sich schmutzig. Die Gesichter ihrer Mitgefangenen tauchten vor ihrem inneren Auge auf, Frauen aus ärmeren Schichten, die schon so viel mehr als sie erlebt hatten. Frauen mit rauen Stimmen. Frauen, die ihr zur Seite gestanden hatten, und solche, die ihr das Leben in dieser kurzen Zeit zur Hölle gemacht hatten.
    Vor einer Bäckerei blieb Claire abrupt stehen. Im Ge fängnis hatte sie sich hungrig und angeekelt vom dortigen Essen ausgemalt, weiße duftige Brötchen zu essen, Mar melade, Wurst oder Käse dazu und eine ganze Kanne süßen Kakaos zu trinken, aber jetzt hatte sie keinen Hunger mehr. Wieder ertrank sie im Wirbel der Gedanken. Es waren ziellose Gedanken und Erinnerungen, nichts, was sich halten ließ, bis auf das Bild ihrer Tochter, das immer und immer wieder vor ihr aufflammte.
    Wo hatte man Friederike hingebracht? Vermisste sie ihre Mutter? Hatte sie geweint?
    Die Tränen kamen plötzlich, ohne dass sie einen Einfluss darauf hatte. Claire wischte sich mit dem rechten Handrücken über das Gesicht.
    »Aber Kindchen!« Eine dunkle männliche Stimme riss sie aus der Verlorenheit. Verschwommen konnte sie einen älteren Mann vor sich sehen, der sie väterlich anlächelte. »Solch ein hübsches Gesicht und dann solche Tränen?«
    Ohne eine Antwort zu geben, drehte Claire auf dem Fuß um und ging in die andere Richtung.
    Mittlerweile hatte sie die Zeil erreicht. Wohin nur, wohin?, ratterte es in ihrem Kopf. Nachdem sie eine weitere Strecke gelaufen war, schmerzten ihre Füße in den Halbschuhen, und ihr war so schwach zumute, dass sie fürch tete, gleich in Ohnmacht zu fallen. Ihr Magen knurr te, ob wohl sie noch immer keinen Appetit verspürte.
    Sie würde zu ihrer Mutter gehen müssen und fürchtete sich jetzt schon vor deren keifender Stimme. Wenn doch nur der Vater noch leben würde. Mit ihm an ihrer Seite wäre dies hier nie passiert. Niemals wäre sie in eine solche Lage geraten. Der Vater hätte ihr Trost spenden können und Sicherheit. Er hätte ihr geholfen. Nun aber war sie alleine.
    Als sie unten vor der Tür des Hauses stand, in dem ihre Mutter noch wohnte und in dem sie selbst so viele Jahre verbracht hatte, zitterte Claire wie Espenlaub. Sie musste sich mit ihrer ganzen Körperkraft gehen die Tür lehnen, um die Haustür aufzudrücken. Oben an der Wohnungstür angekommen, drückte sie auf die Klingel, bevor sie der Mut verlassen konnte. Wenig später bewegte sich die Spitzengardine im Fensterglas der

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