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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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»Ich habe mir solche Vorwürfe gemacht, dich zurückgelassen zu haben.«
    »Aber dir blieb keine andere Wahl, oder?«
    Rike konnte sich nicht daran hindern, das Wörtchen »oder« hinzuzusetzen, bevor sie sich versehen hatte, hatte sie es auch schon ausgesprochen.
    »Sie sagten mir, ich würde dich nie wiedersehen dürfen.«
    »Du hast mich nie wiedergesehen.«
    Claire drehte den Kopf zur Seite und starrte gegen die vom Sonnenschein erleuchtete Fensterscheibe. »Ja«, antwortete sie dann so leise, dass es kaum zu hören war.
    Rike musste sich räuspern. Dann schluckte sie.
    »Warum?«
    »Das sagte ich doch schon. Sie sagten, sie würden mich für verrückt erklären lassen. Sie sagten, ich sei keine Mutter, bei der man ein Kind lassen könne.«
    »Du hast mich verlassen.« Rike musste wieder schlucken. »Man könnte also tatsächlich meinen, du seist keine Mutter, bei der man ein Kind lassen kann.«
    Ruckartig wandte sich Claire ihrer Tochter zu.
    »Aber das war doch erst danach – nach allem, was passiert ist.«
    Rike konnte sehen, wie sie schauderte, aber sie konnte sich nicht dazu überwinden, ihrer Mutter eine Hand auf den Arm zu legen.
    »Ich wollte dich doch nie verlieren.« Claire schaute sie flehend an.
    Rike drehte sich zu Lea hin, dann wieder zu Claire.
    »Ich habe die Kirche übrigens gefunden. Die Kirche aus dem Brief … die Gianluca aufgesucht hat, bevor er nach Deutschland aufgebrochen ist.«

A chtes Kapitel
    Jemand hatte ein Herz in die Agave geschnitten, darun ter zwei verschlungene ungelenke Buchstaben. Rike legte ihre Finger darauf. Eine Wunde, dachte sie, es war eine Wunde, die nicht mehr heilte. Und Gianluca? War er nach Hause zurückgekehrt? In der Ferne konnte sie ein Moped knattern hören. Ein Auto kämpfte sich eine Steigung hin auf. Sie ließ den Blick über die von Bäumen bewachsenen Berge wandern, lauschte dem weichen italienischen Singsang, der von unten zu ihr heraufdrang.
    Heute Morgen hatte sie sich die zarte rote Bluse angezogen, die ihren dunklen Teint wärmer leuchten ließ, und dazu die schmal geschnittene Leinenhose und die wei ßen Segeltuchschuhe. Das indische Baumwoll hemd hatte sie tief im Koffer verstaut. Danach hatte sie sich vor den Spiegel gestellt und nach kurzem Zögern ein buntes Tuch um den Kopf gewickelt.
    Claire, die sich auf Lea stützte, hatte sie inzwischen eingeholt. Rike fand, dass ihre Mutter heute aussah wie eine feine italienische Großmutter. Ihr weißes Haar, der elegante Schnitt ihres Gesichts – auch sie erkannte mittlerweile Ähnlichkeiten. Gianluca, da war sie sich sicher, fand sich in ihren Gesichtszügen.
    Einige Tage später saßen sie alle drei wieder einmal bei der kleinen Kirche am Meer. Claire und Rike hatten sich eine warme Kuhle im Felsen ausgesucht. Claire lagerte ihren Kopf im Schoß ihrer Tochter und sah in den strahlend blauen Himmel hinauf.
    »Waren sie glücklich?«, flüsterte Claire nun.
    Rike lachte auf und streichelte den Kopf ihrer Mutter. Erst jetzt hatte sie entdeckt, dass es guttat zu verzeihen. Gemeinsam würden sie Gianlucas und Mariannes Geschichte zu Ende erzählen. Sie wussten nicht, ob es die richtige Geschichte war, aber wenn sie auch erfunden sein mochte, so war sie doch gut erfunden. So sagte man doch. Se non è vero, è molto ben trovato.
    Claire schaute in das Gesicht ihrer Tochter und fand es schön. Rike wirkte mit einem Mal befreit, als sei eine schwere Last von ihr gefallen.
    »Ich werde hierbleiben«, sagte sie nun. »In Italien. Ich habe mich schon nach einer Wohnung umgeschaut, und ich habe etwas Geld. Wenn ich sparsam lebe, kann ich mindestens ein Jahr bleiben. Ich werde Italienisch lernen.«
    »Das ist eine schöne Idee«, sagte Claire. »Ich finde, du solltest das tun.«
    Rike nickte. Nach einer Weile fragte sie: »Sollen wir schauen, was Lea macht?«
    Claire kuschelte sich bequemer an ihre Tochter. »Wollen wir die Turteltauben wirklich stören?«
    Rike strich sich das vom nunmehr stärkeren Wind zer zauste Haar zurück und schloss die Augen: »Lassen wir ihnen noch ein bisschen Zeit, ja?«
    Sie saßen am Meer, im Sand. Lea hatte sich mit dem Rü cken gegen Tom gelehnt, der hielt sie mit den Armen um schlungen. Kleine Wellen leckten zu ihren nackten Füßen hinauf. Weiter hinten am Horizont war ein Schiff zu sehen. Ab und zu klatschte eine größere Welle gegen den Felsen rechter Hand, und Gischt spritzte auf.
    Als Lea beim letzten Besuch am Strand eingeschlafen und wieder aufgewacht war, hatte Tom neben

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