Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
Vom Netzwerk:
gedacht.« Claire runzelte die Stirn. »Sind die Leute hier immer noch so konservativ?«
    Lea zuckte die Achseln. »Du hast mir also den Prospekt geschickt?«
    Sie sah zu, wie Claire begann, mit einer Fingerspitze Krümel aufzupicken, sorgfältig einen nach dem anderen.
    »Ich wollte mich irgendwie ankündigen«, sagte ihre Groß mutter dann, »und wusste einfach nicht, wie.« Sie sah unsicher aus, als sie Lea nun anblickte. »Ich hätte vielleicht anrufen sollen …«
    Lea zuckte die Achseln. »Mir einen Prospekt zu schi cken war sicherlich der ungewöhnlichere Weg.« Sie lachte. Claire stimmte ein.
    »Gefällt er dir?«, fragte sie dann.
    »Ja, sah hübsch aus.« Für die nächste Brötchenhälfte wählte Lea Honig. Claire hatte offenbar genug gegessen, denn sie schob ihren Teller zurück. Lea wartete einen Mo ment, doch Claire sagte nichts mehr.
    »Und was bringt dich ausgerechnet jetzt wieder hierher?«, fragte Lea endlich. »Müsstest du nicht auf deinem Gut sein?«
    Oder, überlegte sie bei sich, wie war das mit den Jahreszeiten auf der anderen Seite der Welt?
    Wieder schob Claire mit dem rechten Zeigefinger Bröt chenkrümel zusammen.
    »Na, auf einem Weingut ist zwar immer etwas zu tun, aber ich habe ja auch Mitarbeiter.«
    Ja, natürlich, wie dumm von mir, schoss es Lea durch den Kopf.
    »Außerdem bin ich schon fünfundachtzig Jahre alt«, sprach Claire weiter.
    »Ach.«
    »Ja.« Claire lachte. »Es wurde also Zeit für einen Be such. Dann kam die Gelegenheit mit dem Weingut …« Sie schaute Lea nachdenklich an. »Es war wie ein Zeichen, es zu wagen … zurückzukehren … verstehst du? Ich denke immer, dass ich dort, auf ebendiesem Gut, die schönste Zeit meines Lebens verbracht habe. Ich konnte plötzlich nicht mehr aufhören, daran zu denken.«
    Sie hatten die schmale Asphaltstraße verlassen, die aus dem Neubaugebiet von Bonnheim hinaus in die Weinberge führte. Nun kämpfte sich Leas kleiner Polo einen Feld weg hinauf, schlingerte holpernd mal nach links, mal nach rechts, während es unter den Reifen knirschte. Claire hatte nicht gedacht, dass die Erinnerungen so schnell zurück kommen würden. Dort lag ein Weinberg brach. Der Wein berg auf der anderen Seite hatte damals zum Gut gehört, offenbar wurde er noch bewirtschaftet. Ihr wurde die Kehle eng. Wer hatte das Stück Land wohl gekauft? Am liebsten hätte sie die Nase an die Scheibe gedrückt, so wie sie das früher als Kind im Büro ihres Vaters getan hatte.
    Himmel, das war ja noch länger her; eine Zeit, in der es kaum Autos gegeben hatte und viel mehr Pferdefuhrwerke. Und was für Strecken die Menschen damals zu Fuß gelaufen waren. Auch sie. Diesen Weg, den sich der Wagen jetzt hinaufkämpfte, mindestens tausendmal und mehr. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte sie jeden Stein am Wegesrand gekannt, jede Pflanze und jeden Blick in die Landschaft. So lange war sie nun nicht mehr hier gewesen, und jetzt war es, als sei sie nie fort gewesen. Alles kam zurück. Alles.
    Lea schaltete einen Gang zurück. Der Polo kämpfte sich schaukelnd über die Hügelkuppe, und zum ersten Mal lag das Gut vor ihnen. Claire sog die Luft ein. Nichts hat sich verändert, dachte sie, gar nichts, wie schön das ist, und wie weh es doch tut.
    »Mannomann«, stieß ihre Enkelin aus und trat auf die Bremse. Quietschend und etwas abrupt kam der Polo zum Stehen, sodass sie beide in ihren Sicherheitsgurten nach vorne gedrückt wurden, um fast noch im gleichen Moment wieder nach hinten geworfen zu werden. Der Gurt drückte sich gegen Claires Hals. Sie versuchte, ihn etwas davon wegzuziehen.
    »Das ist aber ganz schön verfallen«, sprach Lea weiter.
    Claire schaute die jüngere Frau von der Seite an und sah dann wieder zum Weingut. Ihre Enkelin hatte recht. Teile der Mauer um das Haus herum waren eingestürzt. Im Dach befanden sich Löcher, das konnte man sogar auf die Entfernung sehen, und kein einziges Fenster war mehr heil – jedenfalls auf der ihnen zugewandten Seite. Sie räusperte sich.
    »Nun, es ist auch schon ziemlich alt. Der älteste Teil unten stammt wohl aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, dazu gehören, soweit ich weiß, die Kelleranlagen, die Küche und ein Großteil des Erdgeschosses. Oben ist im 19. Jahrhundert wohl etwas erneuert worden. Früher gab es auch noch Stallanlagen und eine Scheune.«
    »Aha.« Lea legte den ersten Gang ein, ließ die Kupplung kommen und trat wieder aufs Gas. Der Motor begann erneut zu brummen. Der Wagen holperte den Rest des Weges

Weitere Kostenlose Bücher