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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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schaffst das, da bin ich mir sicher. Du bist um die halbe Welt geflogen hierfür.«
    Aber du kennst mich doch gar nicht, wollte Claire erwidern, dann presste sie die Lippen aufeinander. Richtiger war wohl, dass sie einander beide nicht kannten.
    Am frühen Nachmittag des nächsten Tages kehrten sie zum Gut zurück. Lea parkte den Polo wieder unter dem Kirsch baum, sprang hinaus und half ihrer Großmutter aus dem Wagen.
    Heute fühlte sie sich so glücklich wie seit Langem nicht mehr. Für einen Moment kam es ihr tatsächlich so vor, als habe dieses Haus nur auf sie gewartet. Sie drehte sich zu Claire um. Claire hatte ihr gestern noch etwas mehr von Australien erzählt, von ihren Anfängen dort und von ihrem Weingut. Das war immerhin etwas. Und sicherlich würde sie bald noch mehr wissen.
    Wir werden einander kennenlernen, und dann werde ich die ganze Geschichte erfahren.
    Mittlerweile war sie froh, dass ihre Mutter an die Nordsee gefahren war, so blieb ihr mehr Zeit mit Claire alleine.
    »Als ich loslegte, hatte ich ja fast keine Ahnung vom Wein. Ich habe gerne Wein getrunken, ich habe auch ein mal in einem Weinberg gearbeitet, aber sonst …«
    Claire hatte die Achseln gezuckt und laut gelacht. Unabhängig, fröhlich, energisch, dachte Lea nicht zum ers ten Mal an diesem Tag, so wäre ich selbst gerne. Warum ist sie nur so anders als Rike?
    »Ich schaue mal, ob offen ist«, warf sie Claire über die Schulter zu und ging die paar Stufen zur Eingangstür hoch.
    »Also einen Schlüssel hat mir Herr Wieland nicht gegeben«, rief ihre Großmutter ihr hinterher. »Er sagte, es sei offen.«
    Lea nickte. Die Tür sah auch nicht aus, als ob abschließen noch viel helfen würde. Am Tag zuvor waren sie nicht ins Haus gegangen. Claire war plötzlich zögerlich gewesen.
    »Lass uns noch warten, Lea«, hatte sie gesagt, »ich will jetzt nicht hineingehen. Ich bin müde. Außerdem kommt es nach so langer Zeit auf ein paar Stunden mehr oder weniger auch nicht an.«
    Die Türklinke ließ sich herunterdrücken, die Tür allerdings nur wenige Zentimeter bewegen, bevor es nicht mehr weiterging. Es knirschte.
    »Die klemmt«, stellte Lea fest.
    »Herr Wieland sagte, hier hätte ewig schon niemand mehr gewohnt. Der Schlüssel muss schon in den Sechzigern verloren gegangen sein.«
    Claire sah nachdenklich am Gebäude nach oben. Lea warf sich mit der rechten Schulter gegen die Tür. Wieder knirschte es, die Tür schob sich noch einige Zentimeter weiter auf. Im Halbdunkel auf dem Boden dahinter konnte Lea Blätter, Zeitungspapier und undefinierbaren Dreck ausmachen.
    »Ich glaube, da hängt einfach etwas drunter fest«, rief sie. Noch einmal warf sie sich gegen die Tür. Als diese nun ein gutes Stück weiter aufging, stürzte Lea fast zu Boden.
    Das war also der Flur. Licht fiel hier nur durch das einzig intakte, jedoch verschmierte Dachfenster herein, das sie hinten bemerkt hatte. Mit dem Fuß schob Lea Dreck, Laub und Zeitungen zur Seite und bewegte die Tür dann hin und her.
    »Kommst du, Claire?«
    »Gleich, lass mir noch einen Moment Zeit.«
    »Gut.« Lea verschwand wieder im Haus.
    Ob Claire nun an früher dachte? Was hatte ihre Großmutter wohl in diesem Haus erlebt?
    Lea besah sich den Flur und machte dann kehrt, um in den ersten Raum rechts der Haustür zu schauen.
    Die Küche … Lea trat ein. Ein relativ neuer Resopaltisch stand neben einem alten, dunklen Küchenbuffet. Neugierig öffnete Lea dessen Türen und spähte hinein. Glänzendes Schrankpapier und einige Überreste von Insekten. Auf der Anrichte darunter lag der Staub zentimeterdick. Es roch seltsam: abgestanden, alt und vergessen. Durch das kaputte Küchenfenster konnte sie in den Hof hinaussehen. Von hier hatte man auch den ganzen Zufahrtsweg im Blick. Claire stand immer noch reglos da.
    Da war etwas auf dem Gesicht ihrer Enkelin, das Claire vorher nicht gesehen hatte und das ihr auf einmal Unbehagen bereitete.
    Lea freut sich, und ich belüge sie. Aus Feigheit, aus … Himmel … Claire seufzte. Aber es ist einfach noch zu früh. Ich kann ihr nicht alles sagen, ich weiß nicht, wie. Ich verstehe ja selbst nicht, was damals geschehen ist und wie es geschehen konnte.
    Nicht zum ersten Mal an diesem Tag kämpfte Claire ihr schlechtes Gewissen nieder. Dieses Haus barg Geheimnisse in sich, Geheimnisse, von denen sie wusste und über die sie bisher geschwiegen hatte. Und sie würde wei ter schweigen, vorerst zumindest. Das, so war sie sicher, war der einzige Weg, der ihr

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