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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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auf das Gut zu, bevor die Enkelin vorsichtig an einem schräg in den Angeln hängenden Tor vorbei in den Hof kurvte. Kurz schien sie sich unschlüssig, dann wählte sie einen Platz neben einem alten, knorrigen Kirschbaum.
    Hier, dachte Claire, hat damals die Schaukel gehangen. Jauchzen. Kirschmünder. Lachen. Glückliche Monate. Rike auf ihrem Schoß, in ihren Armen, ein kleines schutzbedürftiges Baby, lachende Nachbarskinder, darunter eine Ilse, an die sie sich besonders gut erinnerte, ein sehr ernst haftes blondes Mädchen, nur ein paar Jahre jünger als sie selbst.
    Wie Rike wohl heute, mit sechsundsechzig Jahren, aus sah?
    Für sie trug Rike immer noch ein winziges Babykleid chen und weiße Strumpfhosen, die ihr von den dünnen Beinchen rutschten, dazu ein Häubchen auf den dunklen Locken.
    Claire fuhr auf, als sie bemerkte, dass Lea um das Auto herumgelaufen war und ihr die Tür geöffnet hatte.
    »Danke«, murmelte sie, immer noch etwas gedankenverloren. Lea nickte ihr zu. Der misstrauische Ausdruck, der Claire gestern bisweilen aufgefallen war, flackerte eben auf dem Gesicht ihrer Enkelin auf.
    Sie fragt sich, ob ich ihr die ganze Wahrheit gesagt habe, aber das kann ich nicht. Noch nicht. Ich wage es nicht. Ein Stück des Weges müssen wir noch gemeinsam gehen. Wir müssen geduldig sein. Keiner weiß, was uns am Ende wirklich erwartet.
    Claire schaute Lea hinterher, wie sie nun auf das Haus zuging, die Arme in die Seiten gestemmt. Wie sie dann den Kopf in den Nacken legte und am Gebäude nach oben schaute. Claire sah förmlich, wie ihre Enkelin angesichts der Ruine die Stirn erneut krauszog.
    Das hätte ich in ihrem Alter auch gemacht, dachte sie, damals habe ich gerade das Gut in Australien gekauft, nach Jahren, in denen ich mich einfach habe treiben lassen. Natürlich hatte sie immer gearbeitet. Mal hier, mal dort, als Kellnerin, in einem Kino, sogar als Fotomodell.
    Claire war erst ein paar Schritte auf dem alten, unebenen Pflaster gelaufen, das den Hof stellenweise bedeckte, als eine männliche Stimme ihre Aufmerksamkeit auf sich zog: »Frau Hunter?«
    Auch Lea drehte sich um. Der Mann, der an der Seite eines Neufundländers den Hof betreten hatte, nickte beiden Frauen zu.
    »Wolf Wieland mein Name.« Er nickte nochmals, deutete beinahe etwas wie eine Verbeugung an.
    »Ach, Herr Wieland, Sie sind das also.« Claires Gesicht hellte sich auf. »Ich wollte mir gerade anschauen, was ich Ihnen da abgekauft habe. Da haben Sie aber einen guten Schnitt mit mir gemacht, nicht wahr?«
    Wolf Wieland legte eine Hand auf den Rücken seines Hundes.
    »Es ist ein schönes altes Gut, ein Schmuckstück für Lieb haber«, sagte er und schaute sich dann kurz um, bevor er Claire wieder fixierte. »Sind Sie deswegen nun wirklich den ganzen Weg aus Australien gekommen? Nach fünf Jahren dachte ich eigentlich, Sie kommen doch nicht mehr. Ich hab mich sogar gefragt, ob Sie’s wieder verkauft haben …«
    »Hier in der Gegend wird heute guter Wein gemacht, oder bin ich da falsch informiert?« Claire lächelte den Mann an.
    Ich hätte jeden Preis bezahlt, fügte sie in Gedanken hinzu, während sie sich bei Lea unterhakte, jeden.
    »Herr Wieland, das ist meine Enkelin, Lea Kadisch«, stellte sie die junge Frau an ihrer Seite dann vor. »Lea, Herr Wieland ist der Mann, der mir auf meine alten Tage einen Traum erfüllt.«
    Herr Wieland errötete. Sein Hund hatte sich ein Stück entfernt und untersuchte schnüffelnd etwas auf dem Boden. Lea schaute auf die schief in den Angeln hängende Eingangstür.
    Kurz sah Claire sich selbst, wie sie gerade aus dem Haus trat, an einem jener Morgen, die nun schon so lange zu rücklagen. Die Sonne bricht hinter den Wolken hervor und über strahlt die Hügel. Die Schaukel am Kirschbaumast knarrt unter dem Gewicht eines älteren Nachbarskindes. Das Baby in meinen Armen lacht, weil ich es kitzele.
    »Was hast du?«, fragte Lea.
    »Nichts«, antwortete Claire, nahm alle Kraft zusammen und lächelte. Man durfte sich seinen Kummer nicht anmerken lassen, musste den Schmerz für sich behalten. Sie war eine Frau, die das Leben anpackte. »Schau dich doch erst einmal um, während ich noch ein paar Details mit Herrn Wieland bespreche.«
    Lea nickte. Claire sah ihrer Enkelin hinterher, wie sie um die Hausecke verschwand. Der geliebte alte Garten war bestimmt nicht mehr da. Sie würde so bald wie möglich einen neuen anlegen. Sie wandte sich Herrn Wieland zu.
    »Geben Sie mir Ihren Arm, junger Mann, und helfen

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