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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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ich das. Nun ja, Frau Schrader sagt, es sei Absicht gewesen.«
    »Die alte Klatsch…«
    »Claire, nicht hier! Frau Schrader sagt auch nur, was sie gesehen hat.« Aurelia sah mit einem Mal müde aus. »Das Ganze hat sich jedenfalls bis zum Pfarrer herumgesprochen, und dann kam auch noch heraus …«
    Warum sprach sie denn jetzt schon wieder nicht weiter? Am liebsten hätte Claire ihre Mutter geschüttelt.
    »Was kam heraus?«
    »Er hatte offenbar Schulden. Das heißt also, wir haben Schulden. Das Geschäft steht kurz vor dem Bankrott.«
    Claire griff unwillkürlich nach etwas, was ihr Halt geben konnte, doch da war nichts. Sie stand vollkommen frei im Raum, niemand würde sie auffangen.
    Das wird Wilhelm nicht gefallen, schoss es ihr durch den Kopf. Sogleich schämte sie sich dafür.
    »Vater hatte Schulden?«, brachte sie im nächsten Moment rau hervor.
    »Wer denn sonst? Wir sind pleite. Er hat uns vollkommen mittellos zurückgelassen.« Von einem Moment auf den anderen begann Aurelia zu weinen.
    Er hat mir Gold gelassen. Claires Lippen bewegten sich, doch sie bekam kein Wort heraus. Ihr Vater hatte ihr das Gold gelassen, das er zu ihrer Geburt auf ihren Namen angelegt hatte. Sonst gab es nichts. Das Geschäft würde verkauft werden, um die Gläubiger zu bezahlen. Ein winziger monatlicher Betrag würde dann auch für die Mutter bleiben, aber er war kaum hoch genug, davon zu leben.
    Als Claire sich zu ihrer Mutter umdrehte, starrte die sie wütend an. Dann rauschte sie aus dem Zimmer.
    »Mutter!«, rief Claire aus. Sie hörte Aurelias Schuhe auf der Treppe nach unten klappern, dann krachte auch schon die Haustür zu. Claire zögerte noch einen Moment, drehte sich noch einmal zum Notar hin. »Entschuldigen Sie mich bitte, Dr. Faber?«
    »Natürlich«, der Notar lächelte verständnisvoll, »die Nachricht hat Ihre Frau Mutter offenbar schockiert.«
    Claire nickte. In seiner Distinguiertheit wirkte der Mann wie eine Statue auf sie. Sie drehte sich um, sprang zur Tür hinaus und eilte dann ebenfalls die Stufen hinunter.
    Klapp, klapp, klappdiklapp, machten ihre Schuhe aus Paris. Wilhelm hatte darauf bestanden, sie zu kaufen, auf der ersten Etappe ihrer kurzen Flitterwochen. Nichts war, wie sie es sich ausgemalt hatte.
    Claire musste sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür werfen, dann stand sie auf der Straße. Die Sommerhitze empfing sie wie eine Wand. Kein Lüftchen regte sich. Augustwetter. Etwa zwanzig Schritte entfernt wartete die schmale, schwarze, sehr gerade Gestalt ihrer Mutter. Claire beeilte sich, zu ihr zu laufen, obgleich ihr die Hitze ungewöhnlich zu schaffen machte. Noch bevor sie Aurelia erreicht hatte, drehte die sich um. Sie hatte den schwarzen Schleier zurückgenommen und präsentierte ihrer Tochter ihr weißes, schönes Gesicht. Ihre Lippen zitterten.
    »Ich wusste immer, dass er mich nie geliebt hat«, sagte sie.
    Claire schluckte.
    »Mama«, das Wort hörte sich im Zusammenhang mit Aurelia nicht nur seltsam an, es fühlte sich sogar seltsam an. »Würde er dir das … Würde er es dir mit Geld zeigen?«
    »Mit was denn sonst?« Aurelia lachte bitter. »In meiner Situation? Mit was denn sonst, bitte?«
    In dieser Nacht wälzte Claire sich schlaflos in ihrem Bett umher. Sie hatte sich in ihr eigenes kleines Zimmer samt Boudoir zurückgezogen, wenngleich Wilhelm ohnehin nicht da war und sie das Familienbett dementsprechend für sich alleine hatte. Bis sie eine angemessene Bleibe gefunden hatten, würden sie im Haus der Neubergers wohnen. Am Anfang der Woche war Johanne für einige Tage zu Verwandten geschickt worden.
    »Noch muss ich ihnen gehorchen«, hatte sie Claire zum Abschied zugeflüstert, »aber warte nur ab, wenn ich einundzwanzig bin …« Sie hatte mit den Augen gerollt.
    Claire hatte traurig ihre rechte Hand getätschelt. »Komm bald wieder, ich fühle mich schrecklich einsam.«
    Von draußen kamen Stimmen herein. Weil es so heiß war, hatte Claire ihr Fenster aufgelassen. Jetzt stand sie auf und horchte. Die Stimmen kamen aus dem Salon, aber sie konnte nichts verstehen. Sie meinte Wilhelm zu erkennen, Constantin und Nora Neuberger. Also hatte sich die Familie im Salon versammelt, wieder einmal, ohne sie dazuzubitten.
    Wilhelm hatte sich nicht erfreut gezeigt, weder über den Bankrott noch über ihre Erbschaft.
    »Wir brauchen das Geld jetzt, meine Liebe, sonst geht alles den Bach runter, und das ist dann deine Schuld.«
    Sie hatte sich gefragt, ob es sich lohnte, mit dem Notar zu

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