Die verlorene Koenigin
vielleicht zufällig den Namen der Frau aufgeschnappt?«, fragte Edric und Tania entging die Erregung in seiner Stimme nicht.
»Ihren Namen?«, wiederholte die Kellnerin verwirrt. »Tut mir leid, nein.«
»Wie hat sie bezahlt?«, fragte Tania nach. »Mit Kreditkarte?«
Die Kellnerin runzelte die Stirn. »Bar, glaube ich. Soweit ich mich erinnere, saß sie an dem Tisch da drüben. Sie hatte eine Aktentasche dabei und einen großen Umschla g – einen dieser gepolsterten. Sie schrieb die Adresse drauf.«
Wieder lächelte sie. »Entschuldigung, ich mach mich mal besser wieder an die Arbeit. Aber Sie haben wirklich tolle Haar e – ich bin total neidisch!«
Tania und Edric starrten einander an.
»Das war sie«, flüsterte Tania. »Sie war also letzte Woche hie r – mit dem Buch.« Sie legte die Hand auf die Brust. »Edric, sie war hier! Wir haben sie gefunden. Jetzt müssen wir uns nur noch in der Nachbarschaft umhören. In Geschäften und Restaurant s – überall. Irgendjemand weiß sicher, wer sie ist und wo sie wohnt.«
Sie unterbrach sich, als ihr Handy klingelte, und fischte es schnell aus ihrer Tasche. »Oh-oh. Meine Eltern«, sagte sie mit einem Blick auf das Display. Sie drückte auf ›Annehmen‹.
»Hallo?«
»Hallo, Schatz.« Das war ihre Mutter. »Dein Vater und ich gehen gleich einkaufen, und da wir dann ja in der Nähe der Schule sind, haben wir gedacht, wir könnten auf dem Rückweg bei dir vorbeikommen. Wie lange braucht ihr denn noch?«
»Ich bin mir nicht siche r – aber schon noch ein Weilchen.«
»Wir sind gegen halb zwei da. Wir können warten, wenn ihr noch nicht fertig seid.«
»Das braucht ihr aber nicht«, sagte Tania.
»Kein Problem«, sagte ihre Mutter fröhlich. »Dann müssen wir nicht extra noch mal hin- und herfahren. So, jetzt halte ich dich aber nicht noch länger auf. Tschüss.«
Tania prüfte die Zeit auf dem Display: 1 2 Uhr 14.
Sie hatte also genau noch eine Stunde und sechzehn Minuten, um zurück zur Schule zu kommen. Das war zu schaffen, aber nur, wenn sie unverzüglich aufbrachen.
»Wir müssen los«, sagte sie.
»Ich weiß. Ich hab’s gehört«, erwiderte Edric. »Ich kann hier bleiben, wenn du mags t – und schon mal ein bisschen herumfragen.«
Sie runzelte die Stirn. »Nein. Da möchte ich gern dabei sein. Ich werde versuchen, morgen wegzukommen.«
Diese Verzögerung war unglaublich frustrieren d – sie waren möglicherweise nur noch wenige Schritte davon entfernt herauszufinden, wo Titania wohnt e – aber ihre Mutter hatte die Recherche erst einmal blockiert.
Eines wusste Tania sicher: Sie würde alles tun, um am folgenden Tag weitersuchen zu können. Nach fünf langen Jahrhunderten stand sie kurz vor einem Wiedersehen mit ihrer Elfenmutter und sie würde sich dabei von nichts aufhalten lassen.
Sie hatten Glück mit den U-Bahnen, und es war erst zwanzig nach eins, als Tania und Edric in Camden eintrafen. Sie blieben an der Straßenecke stehen, vor dem hohen Drahtzaun, der das Schulgelände umgab.
Tania ließ den Blick über die parkenden Autos am Straßenrand wandern. »Gut, sie sind noch nicht da«, sagte sie. »Aber sie können jetzt jede Minute kommen. Du machst dich besser aus dem Staub. Ich warte vor dem Tor auf sie.«
»Ruf mich an«, bat Edric, dem es widerstrebte, ihre Hand loszulassen.
»Mach ich. Keine Sorge. Ich kann mich morgen schon irgendwie loseisen. Ich werde ihnen einfach sagen, dass ich mit Jade auf den Camden Market gehe.«
Er blickte in den klaren blauen Himmel hinauf. »Heute Nacht ist die erste Vollmondnacht«, sagte er. »Im Elfenreich wird der Juli-Vollmond der ›Mond der Reisenden‹ genannt.« Ein sehnsüchtiger Ton war in seiner Stimme und er verstärkte den Druck seiner Hand. »Vor langer Zeit, es war vor der Großen Dämmerung, in der ersten Nacht, wenn der Mond der Reisenden voll war, segelten immer alle Palastbewohner zur Insel Logris. Die Feierlichkeiten auf Logris dauerten die ganze Nacht und man nannte es das Fest der Reisenden.« Er sah sie an. »Ob sie wohl den Brauch wieder aufleben lassen, jetzt, da im Elfenreich wieder alles beim Alten ist?«, sagte er. »Sicherlich.« Er seufzte. »Wie schade, dass du das nicht miterleben kannst. Ich nehme nicht an, dass du dich noch an die vergangenen Feste erinnerst?«
Tania schüttelte den Kopf. Vieles aus ihrer Elfenkindheit war für sie verloren, und selbst die Ereignisse, von denen ihr erzählt worden war, schienen ihr wie etwas, das ein anderer erlebt hatte.
»Ich
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