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Die verlorene Koenigin

Die verlorene Koenigin

Titel: Die verlorene Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frewin Jones
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versuchte zu sprechen, zu schreien, aber die Worte steckten fest, und sie brachte keinen Laut hervor. Das Blut pochte in ihren Schläfen. Ihr eigener Puls war der einzige Laut, den Tania in der erdrückenden Stille zu hören vermochte.
    Die rauchgeschwängerte Luft in der engen Nische wurde so heiß und drückend, dass Tania kaum noch atmen konnte. Ein unangenehmer Geschmack nach rostigem Eisen lag ihr plötzlich auf der Zunge. Sie konnte den Kopf nicht drehen, schaffte es jedoch, zu Jade hinüberzublicken, in der Hoffnung, dass ihre Freundin merkte, was vor sich ging, und irgendetwas tat, um sie aus dieser entsetzlichen Lähmung zu befreien. Doch Jade saß auf dem kleinen Stuhl an der Seite des Tisches, pulte geistesabwesend an ihren lackierten Nägeln herum und bemerkte die Panik ihrer Freundin nicht.
    Dann vernahm Tania auf einmal inmitten des Dröhnens in ihrem Kopf einen neuen Laut: eine hallende Stimme, die sehr leise und aus weiter Ferne zu ihr sprach. Es war die eines Mannes, aber Tania konnte den monotonen Singsang nicht verstehe n – er wiederholte immer und immer wieder dieselben Worte und wurde dabei allmählich lauter.
    Tania wandte den Blick wieder dem gesenkten Kopf der Frau zu. Ihre tiefroten Lippen zitterten und bewegten sich synchron zu der beschwörenden Stimme. Ihre Augen waren nur noch Schlitz e – die schmalen Sicheln von Weiß, die noch unter den schweren Lidern zu sehen waren, schimmerten silbern und ein bedrohliches Licht flackerte dahinter.
    Tania sah mit wachsendem Entsetzen, wie sich die Lider der Frau weiter öffneten und schließlich ein Paar kalte silberne Augen hinter der wilden, schwarzen, fransigen Haarmähne erschienen. Im selben Augenblick erkannte Tania die Stimme und konnte nun auch erschreckend deutlich deren Worte vernehmen.
    »Ihr werdet niemals von mir loskommen! Wusstet Ihr das nicht? Wir sind für alle Zeiten miteinander verbunden!«
    Die Augen, die sie aus dem Gesicht der Frau anstarrten, waren die von Gabriel Drak e – und es war auch seine Stimme.
    Trotz des Schrecks, der ihren Verstand zu lähmen drohte, fielen Tania Edens Worte ein:
    Hab keine Angst vor den Zauberkünsten des Erzverräters. Er sitzt auf der Insel fest und vermag kaum mehr, als deine Träume zu störe n – es sei denn, in der Welt der Sterblichen gäbe es jemanden, der ihm hilft, jemanden mit der Gabe, eine Brücke zwischen den Welten zu bauen.
    Es war Wahnsinn gewesen hierherzukommen, das wurde Tania jetzt klar. Dabei sollte alles bloß ein Spaß sein, bei dem Tania nur Jade zuliebe mitgemacht hatte. Sie hatte natürlich angenommen, dass die Wahrsagerin eine Schwindlerin war, eine harmlose Hochstaplerin, die leichtgläubigen Touristen vorgaukelte, sie habe mystische Kräfte.
    Doch die kleine, wie eine Schmierendarstellerin wirkende Frau mit dem knallroten Lippenstift und den schlecht gefärbten Haaren war zweifellos ein Medium, mit dessen Hilfe Gabriel Drake über die Kluft zwischen den Welten hinweg nach ihr griff.
    »Seid gegrüßt, Mylady«, drang Gabriels sonore Stimme aus dem Mund der Frau. »Lange habe ich mich nach der Berührung Eurer Hand gesehnt.« Während er sprach, schlossen sich die dünnen kalten Finger der Frau um Tanias Hand. »Ihr werdet mit mir kommen, Mylady, ich dulde keine Widerworte. Da ich in Verbannung lebe, werdet Ihr meine Entbehrungen teilen. Ich möchte Euch während dieser Jahre, die sich so langsam dahinschleppen, an meiner Seite haben!«
    Nein! , heulte Tania in Gedanken auf. Nein! Niemals!
    »Doch, Mylady. Sehr wohl!«
    Plötzlich wurde es stockdunkel in der kleinen Nische, ein starker Wind kam auf, umtoste Tania und fuhr ihr durch das Haar. Regentropfen prasselten ihr ins Gesicht und piksten wie tausend Nadeln. Der Stuhl, auf dem sie saß, und der Boden unter ihr sackten weg, und sie stürzte in einen schwarzen Abgrund. Ihr Fall endete abrupt mit einem sehr schmerzhaften Ruck, bei dem sie sich fast den Arm ausrenkte. Gabriel Drake hielt sie mit kaltem eisernem Griff, hilflos strampelte sie mit den Beinen.
    Sie war zurück in ihrem Albtraum. Spitze, glänzende, regengepeitschte Felszähne ragten um sie herum auf. Sturmwolken, schwarz und gelb, rasten über den Himmel, die aufgeblähten Unterseiten von zickzackförmigen Blitzen erhellt. In der Finsternis unter sich hörte Tania, wie Krallen über den Stein kratzten und den schweren, rauen Atem eines wahrscheinlich riesenhaften Wesens.
    »Das Monster kommt schnell näher«, rief Gabriel zu ihr herunter. »Könnt Ihr

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