Die verlorene Koenigin
großes Geheimnis. Du wolltest doch shoppen gehen, also los!« Sie zeigte auf einen nahe gelegenen Stand. »Schau mal, Tücher. Ich könnte ein neues brauchen. Kommst du?« Und schon drängte sie sich durch die Menge, ohne sich zu vergewissern, ob Jade ihr folgte.
Ungefähr eine Stunde später saßen Tania und Jade an einem runden schmiedeeisernen Tisch und aßen Tortillawraps mit vegetarischer Füllung. Sie befanden sich in einem kleinen gepflasterten Bereich neben dem Markt, ringsum standen rote Backsteinhäuser, in denen Kunsthandwerk und antike Möbel, Stoffe, Gemälde und Drucke sowie Elektrowaren feilgeboten wurden.
Irgendwo in der Nähe erklang Calypsomusik. Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel, und Tania war es ein bisschen zu heiß, sie fühlte sich schmuddelig, hatte schmerzende Füße und blaue Flecken von der letzten Stunde, in der sie sich durch das Gedränge gekämpft hatte. Sie hatte sich weitgehend von dem Vorfall bei der Wahrsagerin erholt, aber Gabriel Drakes Gesicht tauchte immer wieder vor ihrem inneren Auge auf und ließ sie erschaudern.
Jade hatte eine neue silberne Sonnenbrille mit runden blauen Gläsern auf und blickte Tania über das Gestell hinweg prüfend an, während sie ihre Cola light mit einem Strohhalm schlürfte.
»Also, möchtest du mir nicht sagen, warum du diesen billigen Stein am Handgelenk trägst und nicht das sagenhaft schöne Armband, das ich dir zum Geburtstag geschenkt habe?«
Tania warf einen Blick auf den schwarzen Bernstein an dem fliederfarbenen Band. »Ich hatte Angst, dass das Armband vielleicht im Getümmel kaputtgeht oder gestohlen wird«, improvisierte sie schnell. »Es ist viel zu schön um es jeden Tag zu tragen.«
»Stimmt«, sagte Jade. »Aber das erklärt nicht, warum du dieses seltsame Ding trägst.«
»Edric hat’s mir geschenkt.«
»Cedric?«, rief Jade heiser. »Wer zum Teufel ist Cedric?«
»Ich habe Evan gemeint«, stammelte Tania, der das Blut in die Wangen schoss. Dummer Fehler! »Evan hat es mir geschenkt.«
Jade musterte sie. »Und warum sagst du dann ›Cedric‹?«
»Ich hab nicht Cedric gesagt, sondern ›Edric‹«, entgegnete Tania. Sie versuchte, weniger nervös zu klingen, als sie sich fühlte. »Edric ist sein richtiger Name, aber er benutzt ihn nicht sehr oft.«
»Kann man ihm nicht verdenken!«, prustete Jade los. »Dein Freund heißt also in Wirklichkeit Cedric? Ganz schön bescheuerter Name!«
»Edric!«, sagte Tania nachdrücklich mit einem Stirnrunzeln. »Das ist eine Art Familienname. Aber lauf jetzt bloß nicht überall in der Schule herum und erzähl’s allen brühwarm, sonst bringe ich dich um.«
»Ist ja auch egal«, sagte Jade mit einer wegwerfenden Handbewegung. Sie beugte sich über den Tisch. »Zeig mal«, sagte sie und fasste nach dem Bernstein. »Ist der Stein vielleicht doch was wert?«
Tania zog ihren Arm weg. »Es ist ganz egal, was er wert ist. Evan hat ihn mir gegeben, deswegen mag ich den Stein.«
»Ach bitte!«, sagte Jade. »Zeig doch mal! Was ist denn so Besonderes daran? Komm, nimm ihn schon ab, damit ich ihn mir genauer ansehen kann!«
»Nein«, sagte Tania. »Ich habe Edric versprochen, dass ich ihn immer trage.«
Sie hielt ihren Arm außerhalb von Jades Reichweite. Es würde ihrer Freundin ähnlich sehen, wenn sie ihr das Band in einer ihrer verrückten Launen einfach vom Handgelenk zerrte. Das war ein Risiko, das Tania auf keinen Fall eingehen wollte, jedenfalls nicht, solange sie auf einem Metallstuhl an einem Metalltisch saß.
Jade gab auf und ließ sich wieder in ihren Stuhl zurücksinken. »Na schön, du verrücktes Huhn«, sagte sie. »Dann behalt deine kleinen Geheimnisse eben für dich. Ich hoffe, du und Evan, ihr werdet echt glücklich miteinander.«
»Edric!«, stellte Tania richtig.
Jade grinste sie an. »Wieso findest du den Namen ›Edric‹ so viel besser?«, sagte sie. Dann bemerkte Tania, wie sie aufblickte, so als hätte jemand hinter Tania ihre Aufmerksamkeit erregt.
»Gut, gut«, sagte Jade. »Da kommt er übrigens gerade.«
Tania drehte sich um. Jade hatte Recht. Das war sonderba r – woher wusste er, wo sie steckte?
»Hallo, Cedric«, sagte Jade. »Wie geht’s?«
»Was?«
Schnell erhob sich Tania, sodass sie zwischen Edric und Jade stand. Ihre Freundin hatte jetzt nur noch Flausen im Kopf und man konnte ihr nicht über den Weg trauen.
Edric blickte sie an, aber sein Lächeln wirkte nicht sonderlich fröhlich. »Können wir kurz reden?«
»Ja klar«, sagte
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