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Die verlorene Koenigin

Die verlorene Koenigin

Titel: Die verlorene Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frewin Jones
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befreien, Mylady?«
    Doch Tania gab sich nicht geschlagen, nicht jetzt, da sie erfahren hatte, wie es war, frei von ihm zu sein und zu fliegen. Mit großer Anstrengung entwand sie Drake ihre Hand. Gabriel stieß einen Wutschrei aus, der langsam verhallte, während die dunkle Insel Ynis Maw verblasste und stattdessen das weihrauchgeschwängerte Dämmerlicht im Raum der Wahrsagerin auftauchte.
    Zu verblüfft, um etwas zu sagen oder zu reagieren, starrte Tania über den Tisch hinweg auf die Frau. Das Gesicht der Wahrsagerin war aschfahl, ihre braunen Augen blickten entsetzt auf Tania, als hätte jemand die Frau mit einer Ohrfeige mitten aus dem Tiefschlaf gerissen.
    »Und das war’s?«, fragte Jade gereizt. »Sie kommt und geht und das verstehen Sie nicht? Was ist mit großen, dunkelhaarigen, gut aussehenden Jungs? Und mit Fernreisen? Wie steht’s mit Ruhm und Glück und all so was?«
    Tania sah zu ihrer Freundin hinüber, während sie gleichzeitig mühsam versuchte sich zu beruhigen. Offenbar hatte Jade keine Ahnung, was gerade zwischen Tania und der Wahrsagerin vorgegangen war.
    Als die Frau das Wort ergriff, klang sie erschöpft und durcheinander. »Das ist alles. Mehr kann ich nicht sehen«, sagte sie.
    »Was haben Sie denn gesehen?«, fragte Tania und versuchte an ihrem Blick abzulesen, wie viel sie von dem mitbekommen hatte, was zwischen ihr und Drake vorgefallen war.
    »Nichts«, sagte die Wahrsagerin. »Ich habe nichts gesehen. Ich war kurzzeitig abwesend, das ist alles. Ihr solltet jetzt gehen.«
    »Ja, das sollten wir vielleicht wirklich«, meinte Tania, der klar wurde, dass die Frau keine Ahnung hatte, dass sie soeben von Gabriel Drake als Medium benutzt worden war.
    »Abe r …«, setzte Jade an.
    »Geht jetzt bitte«, sagte die Frau, stand unvermittelt auf und schob den Vorhang zur Seite. »Die Sitzung ist beendet.« Jade und Tania wurden förmlich aus dem Raum geschoben. Hinter ihnen schloss sich der Vorhang wieder.
    »So eine Spinnerin!«, schimpfte Jade laut genug, dass die Wahrsagerin es hören konnte.
    »Los«, sagte Tania, »sehen wir zu, dass wir hier rauskommen.«
    Sie bemühte sich, ganz normal zu wirken, um Jade keinen Hinweis auf das eben Geschehene zu geben. Sie war sich ja selbst nicht mal sicher, was real gewesen war und was sich nur in ihrem Kopf abgespielt hatte.
    Hatte Gabriel Drake es wirklich geschafft, sie aus dieser Welt in die andere hinüberzuziehen? Oder war alles lediglich eine Illusion gewese n – eine erschreckend reale Sinnestäuschun g –, ein Kampf der Seelen, der in den dunklen Nischen ihres Gehirns zwischen ihr und Drake ausgefochten wurde?
    So oder so blieb ihr ein kleiner Trost: Sie hatte es geschafft, sie war Ynis Maw, dem Elfenlord und der betäubenden Macht seiner furchtbaren Augen entflohen. Aber was, wenn sie ihm durch ihren Besuch bei der Wahrsagerin eine Möglichkeit des Zugriffs gegeben hatte? Sie war ihm diesmal nur knapp entronnen. Würde sie auch bei seiner nächsten Attacke wieder die nötige Stärke aufbringen können, um sich zu befreien, sei es in ihren Träumen oder in der realen Welt? Und wenn sie nicht stark genug war, von ihm loszukommen? Würde sie einfach aus der Welt der Sterblichen verschwinden und mit Drake zusammen auf Ynis Maw festsitzen? Eine erschreckende, aber reale Möglichkeit. Schließlich war es Gabriel gewesen, der sie anfangs ins Elfenreich hinübergeholt hatte. Die Kraft der Bernsteinkette hatte ihm damals dabei geholfen. Aber jetzt waren sie durch die Vereinigung der Hände aneinander gebunden; dieses Ritual besaß viel mehr Macht als die Kette, das Band zwischen ihnen war nicht mehr zu trennen.
    Jades Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Ich hätte ja echt gern gewusst, was sie damit meinte, als sie sagte, ich hätte einen Freund oder eine Freundin mit einem Geheimnis.« Sie traten auf die schmale Straße hinaus, an der zu beiden Seiten Buden und Stände aufgebaut waren.
    »Ich glaube nicht, dass sie was Bestimmtes damit gemeint hat«, erwiderte Tania.
    »Echt nicht?« Jade zog belustigt eine Augenbraue hoch. »Also, ich glaube ja, dass du die Freundin mit dem großen Geheimnis bist«, fuhr sie fort und stupste Tania verschwörerisch an. Der Schalk blitzte ihr aus den Augen. »Ein großes Geheimnis, ja? Etwas, das vielleicht mi t … o h … mal nachdenke n … mit Evan zu tun hat?«
    »Gib’s auf, Jade«, erwiderte Tania, erleichtert, dass ihre Freundin ganz mit ihrem eigenen Wahrsagespruch beschäftigt war. »Da gibt es kein

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