Die verlorene Koenigin
verbracht hast, dass du nur von Dingen umgeben bist, mit denen du aufgewachsen bist. Mitzubekommen, wie du dich hier immer wohler fühls t – Angst zu haben, das s … das s …« Die Stimme versagte ihm.
»Angst wovor?«, fragte Tania mit wuterstickter Stimme.
»Angst, dass die Suche nach der Königin für dich immer bedeutungsloser wird, je länger du wieder hier bist«, brach es aus ihm heraus. »Angst, dass du vielleicht hierbleiben willst, bei deinen Menscheneltern und deinen Menschenfreunde n – Angst, dass der Elfenteil in dir verloren geht.«
Sie musterte ihn wortlos. Hatte er denn kein Vertrauen in sie? Warum glaubte er nicht daran, dass sie das Versprechen, welches sie Oberon gegeben hatt e – nämlich Titania zu finde n – halten würde? Dachte er wirklich, sie würde das alles vergessen?
Als Tania schließlich die Sprache wiederfand, klang ihre Stimme gekränkt. »Ich habe nicht die Absicht, die Suche nach Titania aufzugeben. Und was meine Eltern angeh t … Wenn du nicht verstehst, wie viel mir meine Mum und mein Dad bedeuten, dann kennst du mich schlecht.« Sie begann zu zittern. »Ich habe im Moment echt genug Probleme am Hals, auch ohne dass du mir noch zusätzlich Schuldgefühle einredest.«
»Da ergeht es mir ähnlich«, sagte Edric, wobei sich schon wieder ein Hauch Elfenförmlichkeit in seine Stimme schlich. »Der Unterschied zwischen uns beiden, Tania, ist, dass ich weiß, wem meine Loyalität gilt.« In Tanias Kopf drehte sich alles, als sie spürte, dass eine Kluft zwischen ihnen entstanden war. »Wo möchtest du leben?«, fragte er. »An diesem verfluchten Ort hier oder im Elfenreich? Eines Tages wirst du dich entscheiden müssen. Sag mir, wenn du dich entschieden hast.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging rasch davon. Schon bald hatte ihn die Menge verschluckt.
Tania starrte ihm nach. Sie fühlte sich ganz benommen. Es kam ihr vor, als wäre der Himmel eingestürzt und sie stünde nun in den rauchenden Trümmern ihres Lebens.
»Hey!« Das war Jade. »Probleme im Paradies?«
Tania schloss die Augen und versuchte sich wieder zu sammeln. Sie bereitete sich schon innerlich auf die bohrenden Fragen ihrer besten Freundin vor. Nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte, ging sie zum Tisch zurück, setzte sich und nahm ihren Pappbecher mit Cola in die Hand. Als sie am Strohhalm saugte, klirrte das schmelzende Eis.
Jade musterte sie aufmerksam. »Wenn das Liebe ist, na dann vielen Dank auch!«
»Wie meinst du das?«
»Na, guck dich doch mal an«, erwiderte Jade. »Du siehst voll wütend aus. Ich sag dir was: Du brauchst jetzt ein bisschen Spaß. Lass Cedric sausen und mach dein Ding. Genieß das Leben!«
»Das tu ich«, erwiderte Tania knapp.
Ein Leben? Nein, sie hatte sogar zwei Leben, die sie genießen konnt e – und das war genau das Problem.
»Ach echt?«, sagte Jade, die nicht lockerließ. »Ich habe dich heimlich beobachtet. Du wirkst, als würde die gesamte Welt auf deinen Schultern lasten. Da kann doch etwas nicht stimmen. Guck mal, in ein paar Tagen sind Sommerferien. Vergiss Evan, amüsier dich, mach lauter verrückte Sachen. Benimm dich doch mal wie eine ganz normale Sechzehnjährige.«
Tania sah sie stumm an. Sie wünschte sich sehnlichst, es wäre so einfach.
»In letzter Zeit bist du irgendwie seltsam.« Jade klang auf einmal ungewöhnlich ernst. »Was ist wirklich mit dir passiert, als du verschwunden warst? Komm schon, ich will die Wahrheit wissen!«
»Die Wahrheit?«, sagte Tania ruhig. »Okay. Die Wahrheit ist, dass ich in einer anderen Welt war und herausgefunden habe, dass ich eine Elfenprinzessin bin.«
Jade stieß ein schnaubendes Lachen aus. »Hey, der war echt gut! Und Evan ist der Prinz?«
»Nein, das nicht. Aber er lebt im Königspalast.«
Jade machte eine kurze, schwungvolle Handbewegung. »Fein!«, sagte sie. »Vergiss, dass ich gefragt habe.«
Tania lächelte müde. »Siehst du?«, sagte sie. »Ich sag dir die Wahrheit, aber du glaubst mir nicht.«
VII
M ontag, spätnachmittags in der Schule
»Okay, das war schon ganz gut. Aber ich möchte, dass ihr weiter an euren Texten arbeitet. Macht euch klar, was die Worte bedeuten. Ein paar von euch rezitieren Shakespeares unsterbliche Verse wie die Speisekarte in der Kantine. Die nächste Probe ist am Mittwoch nach der Schule. Und keine faulen Ausreden, denn jetzt gehen unsere Proben in die entscheidende Phase, Leute! Also bleibt dran und gebt euer Bestes! Ihr könnt jetzt gehen. Evan und
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