Die verlorene Koenigin
schlechtes Wetter? Immer wenn ich dort war, schien die Sonne.«
»Wir haben ganz unterschiedliches Wetter. Es gibt gewaltige Gewitterstürme, die du dir kaum vorstellen kannst, mit Donner, Blitz und so heftigen Regengüssen, dass der Fluss an einem einzigen Tag einen halben oder ganzen Meter ansteigen kann. Im Winter weht manchmal ein so eisiger Wind aus dem Norden, dass selbst der Saft einer Eiche gefriert und Schnee das Land bedeckt wie ein tiefer weißer Ozean. Im tiefsten Winter sind die Nächte so bitterkalt, dass selbst ein Laut, ein Flüstern sich mit Raureif überzieht und glitzert wie die Sterne.« Er lächelte. »In solchen Nächten sitzt man am besten drinnen am Kamin vor einem prasselnden Feuer, das mit Eibenscheiten geschürt wird.«
Tania blickte ihn an. Würde sie je mit ihm in einer Winternacht zusammensitzen und die Flammen im Kamin zucken und flackern sehen?
Er lächelte schief. »Aber heute ist ein regnerischer Sommertag in Richmond, und wir müssen entscheiden, wo wir anfangen.«
»Wir sind ziemlich sicher, dass Titania in dem Wagen mit dem Chauffeur saß«, bemerkte Tania. »Deshalb denke ich, wir sollten als Erstes nach einem schwarzen Lexus Ausschau halten.«
»Oder nach einer Firma, die ihre Mitarbeiter so großzügig entlohnt, dass diese sich einen Lexus mit Chauffeur leisten können«, fügte Edric hinzu.
»Ich kann noch immer nicht fassen, dass Titania eine erfolgreiche Geschäftsfrau ist«, sagte sie. »Was glaubst du, womit sie ihr Geld verdient?«
»Das könnte eigentlich alles sein«, erwiderte Edric. »Du musst bedenken, dass sie viel Zeit hatte, sich die unterschiedlichsten Kenntnisse anzueignen.«
Es lag auf der Hand, dass sie die Haupteinkaufsstraßen meiden und in Seitenstraßen nach Firmen und Bürogebäuden Ausschau halten mussten.
Nach ungefähr fünfzehn Minuten ergebnislosen Herummarschierens wollte Tania gerade vorschlagen, einen neuen Schlachtplan zu entwerfen, als sie durch eine Nebenstraße kamen, die sie innehalten ließ. Sie blieb stehen und schaute auf den Straßennamen. Spenser Road. Tania blickte irritiert die Straße entlang, denn sie war sich selbst nicht sicher, weshalb sie hier angehalten hatte.
Mittlerweile fiel nur noch leichter Nieselregen, der Himmel hatte die Farbe von Porzellan angenommen. An manchen Stellen waren die Wolken so dünn, dass man die fahle Sonne hindurchscheinen sah. Die dunstige Scheibe wirkte verschwommen wie eine Tablette, die sich gerade in Wasser auflöst.
»Was ist los?«, fragte Edric.
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Tania. Zu ihrer Rechten erhob sich eine niedrige rote Backsteinmauer, die von einem schwarzen Zaun gekrönt wurde. Tania ging mit Edric zu einem hohen schmiedeeisernen Torbogen, über dem in ebenfalls eisernen Lettern stand: Spenser Road Forum . Dahinter lag ein geräumiger, lang gestreckter Innenhof, mit grauen Pflastersteinen und Blumenbeeten, die in ein gemauertes Fundament aus rotem Backstein eingelassen waren. Auf drei Seiten des Hofs schlossen sich moderne Bürokomplexe aus rotem Backstein mit großen Fenstern an, in denen sich das Sonnenlicht spiegelte.
Tania hob den Riegel am Eisentor an und schob es auf. Sie stiegen die Steinstufen in den Innenhof hinunter.
»Kein Lexus«, sagte Edric, der sich umblickte. »Hier gibt es überhaupt keine Parkmöglichkeiten.«
Tania runzelte die Stirn. »Und ich war mir so sicher, dass wir hier richtig sind.«
Doch Edric beachtete sie nicht. Er starrte gebannt auf eine große, frei stehende Tafel, auf der die Namen der Firmen aufgelistet waren, die in dem Komplex ihre Büros hatten.
Er zeigte auf den dritten Namen von oben. »Hast du das gesehen?«
Plejaden-Anwaltskanzlei
»Sagt dir das was?«, fragte Tania.
Edric begann leise zu lachen.
»Edric!«, rief Tania ungeduldig. »Sag schon!«
»Ich geh mal davon aus, dass du dich noch nie sonderlich für Astronomie interessiert hast, oder?«, meinte er schmunzelnd.
»Nein, eigentlich nicht. Wieso?«
Er sah sie an. »Die Plejaden sind ein offener Sternhaufen, der in der nördlichen Hemisphäre zu sehen ist. Sie liegen zwischen den Sternbildern von Stier und Widder.«
»Ja?« Tania wurde langsam ungeduldig. »Und weiter?«
»Diese Sterngruppe ist auch bekannt als die Sieben Schwestern «, sagte Edric.
Tania wurde von freudiger Erregung ergriffen. Sieben Schwester n – und Titania hatte sieben Töchter!
»Das kann kein Zufall sein«, flüsterte sie kaum hörbar und drückte Edrics Hand. »Wohin müssen
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