Die verlorene Koenigin
schon in der Nähe?«
Cordelia hob den Kopf. »Ich rieche Pferde, die keine echten Pferde sind«, sagte sie. »Ihr Atem ist kalt und ihre Hufe donnern Funken sprühend übers Pflaster. Sie kommen näher.« Sie wandte sich an Tania. »Erledige deine Aufgabe hier so schnell wie möglich. Wir hätten unsere Schwerter mitnehmen sollen.«
Cordelia hatte darauf gedrängt, dass sie bewaffnet zu ihrer Mutter gehen sollten, aber Tania und Edric hatten den Schwestern klargemacht, dass sie nicht mit Schwertern in der Gegend herumlaufen konnten, ohne sofort von der Polizei verhaftet zu werden.
»Wartest du mit Cordelia und Zara draußen?«, fragte Tania Edric. Sancha musste ins Innere des Gebäudes, um die richtige Akte zu finden.
»Natürlich. Beeilt euch.«
Tania nickte. Während sie auf die Tür zuging, steckte sie ein paar Haarsträhnen, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatten, wieder unter den schwarzen Glockenhut. Den hatte sie sich aus Jades Kleiderschrank geborgt. Außerdem hatte sie extra eine Sonnenbrille mitgebracht. Mit dieser Maskerade wollte sie verhindern, dass die Empfangsdame sie gleich erkannte und den Sicherheitsdienst herbeirief.
Zusammen mit Sancha trat sie in die Eingangshalle. Sie führte die Schwester zu den niedrigen Sesseln im Wartebereich.
»Setz dich hier hin. Ich lenke die Empfangsdame ab, während du dein Ding machst, okay?«
Ein nachdenkliches Lächeln umspielte Sanchas Lippen. »O…kay«, sagte sie. »Beten wir, dass Cordelia sich irrt und ich genug Zeit habe, u m … mein Ding zu mache n … bevor die Grauen Ritter über uns herfallen.«
»Ja, wollen wir’s hoffen«, murmelte Tania und marschierte zur Rezeption. Sie seufzte erleichtert, als sie sich über den Tresen beugte und feststellte, dass heute jemand anderes Dienst am Empfang hatte: eine kleine, dünne, dunkelhaarige Frau Mitte dreißig. Jetzt drohte eigentlich nur noch Gefahr, falls M r Mervyn auftauchte.
Tania nahm die Sonnenbrille ab. »Hallo.«
»Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Frau mit einem professionellen Lächeln.
»Ja, das hoffe ich«, meinte Tania und lehnte sich gegen den Tresen, damit ihre Beine nicht so zitterten. »Können sie mir sagen, ob Lilith Mariner schon aus Peking zurück ist?«
»Leider nicht«, erwiderte die Empfangsdame. »Aber sie müsste demnächst zurück in London sein.«
»Ach wirklich?« Tanias Herz schlug schneller. »Wissen Sie, wann genau?«
»Nein, tut mir leid. Wir erwarten sie erst gegen Ende der Woche im Büro zurück.«
»Oh, wie schade«, sagte Tania. »Die Sache ist nämlich die: Ich wollte nur kurz mit ihr sprechen. Ich möchte gerne Jura studieren, und ich hatte gehofft, bei Ms Mariner über die Sommerferien einen ersten Einblick in die Aufgaben eines Anwalts zu bekommen. Ich habe gehört, dass sie angehende Juristinnen unterstützt.«
»Wir vergeben tatsächlich Praktikumsplätze an Studierende«, sagte die Empfangsdame. »Aber Ms Mariner organisiert das normalerweise nicht selbst, und ich könnte mir vorstellen, dass Sie noch etwas jung dafür sind. Ich werde mal im Büro von Ms Mariner anrufen. Vielleicht hat ja eine ihrer Assistentinnen kurz Zeit und kann mit Ihnen sprechen.«
»Das wäre toll«, entgegnete Tania. Ihr war es egal, mit wem sie sprac h – wenn es nicht gerade George Mervyn wa r –, solange sie einen Grund hatten hierzubleiben, bis Sancha die Personalakten orten und lesen konnte.
Die Empfangsdame nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte eine Nummer.
Tania warf Sancha einen schnellen Blick zu. Sie saß kerzengerade auf ihrem Sessel und hielt ihre Hände so fest verschränkt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Sie hatte die Stirn in Falten gelegt, die Augen halb geschlossen. Ihre Lippen bewegten sich, als würde sie etwas vor sich hin murmeln.
»Sie haben Glück«, sagte die Empfangsdame jetzt. »M s Mariners Sekretärin hat ein paar Minuten Zeit. Wenn Sie sich dort drüben hinsetzen wollen, sie kommt sofort zu Ihnen.«
»Wunderbar«, sagte Tania. »Danke. Gibt es hier zufällig einen Kaffeeautomaten?«
»Ja, natürlich.« Die Empfangsdame stand auf, um Tania den Weg zum Getränkeautomaten zu zeigen. Plötzlich hielt sie jedoch in der Bewegung inne, als hätte etwas Ungewöhnliches ihre Aufmerksamkeit erregt. Sie blickte über Tania hinweg zur Glastür.
»Draußen wird es gerade stockdunkel«, sagte die Frau. »Scheint ein Unwetter aufzuziehen, dabei sollte es laut Wetterbericht ein sonniger Tag werden.«
Tania wandte
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