Die Verlorene Kolonie
das Mädchen , stellte Artemis überrascht fest. Sie ist der Kopf hinter dem Ganzen.
Das Lächeln des Mädchens ärgerte Artemis. Er war es nicht gewohnt hinterherzuhinken. Zweifellos glaubte sie, dass sie gewonnen hatte. Gut, diese Schlacht ging an sie, aber der Feldzug war noch lange nicht beendet.
Zeit, diesem Mädchen zu zeigen, dass sie einen Gegner hat , dachte Artemis.
Er begann langsam zu klatschen. »Bravo«, rief er. »Bravo, ragazza! «
Seine Stimme trug mit Leichtigkeit über die Köpfe der Zuschauer im Parkett hinweg. Das Lächeln des Mädchens erstarrte, und ihre Augen suchten nach dem Ursprung dieser Beifallsbekundung. Sekunden später entdeckte sie den irischen Jungen, und ihre Blicke kreuzten sich.
Falls Artemis erwartet hatte, dass das Mädchen bei seinem und Butlers Anblick vor Angst erzitterte, so hatte er sich geirrt. Zwar glitt ein Hauch von Überraschung über ihr Gesicht, doch dann nahm sie den Beifall mit einem Nicken und einem hoheitsvollen Winken entgegen. Bevor sie die Loge verließ, sagte sie zwei Worte. Der Abstand war zu groß, um sie zu verstehen, doch selbst wenn Artemis nicht seit Langem des Lippenlesens kundig gewesen wäre, hätte er sie leicht erraten können.
Artemis Fowl , sagte sie. Sonst nichts. Ein Spiel hatte begonnen, so viel stand fest. Wie spannend.
Dann geschah etwas Seltsames. Einige andere Zuschauer in dem Theater stimmten in Artemis' Klatschen ein, und der zunächst zögernde Beifall schwoll zu einem Crescendo an. Kurz darauf stand das gesamte Publikum, und die verdutzten Sänger mussten immer wieder hinaus auf die Bühne und sich verneigen.
Als Artemis Minuten später durch das Foyer ging, hörte er zu seiner großen Erheiterung, wie zahlreiche Zuschauer sich über die unorthodoxe Gestaltung der Schlussszene ausließen. Der explodierende Scheinwerfer, so vermutete jemand, war offensichtlich eine Metapher für Normas sinkenden Stern. Nein, widersprach ein anderer, der Scheinwerfer konnte gar nichts anderes sein als eine modernistische Interpretation des brennenden Scheiterhaufens, der Norma erwartete.
Vielleicht , dachte Artemis, während er sich durch die Menge nach draußen schob, wo ihn ein leichter sizilianischer Sprühregen empfing, war der explodierende Scheinwerfer auch nur ein explodierender Scheinwerfer.
Kapitel 5
In der Falle
Captain Holly Short, Agentin von Abteilung Acht, folgte den Entführern zu einem Landrover Discovery und darin zur Fähre nach Reggio. Der Gefangene, den sie zunächst in einem Leinensack aus der Oper geschafft hatten, war in eine große Golftasche überführt und unter einer Abdeckung mit falschen Schlägerköpfen versteckt worden. Alles lief wie am Schnürchen. Drei erwachsene Menschenmänner und eine Heranwachsende. Holly war nicht allzu überrascht, dass ein junges Mädchen in die Sache verwickelt war. Schließlich war Artemis auch noch fast ein Kind und landete doch dauernd in wesentlich komplizierteren Geschichten.
In Reggio wurde der Landrover bei einer Autovermietung abgegeben, und die Gruppe belegte ein Erste-Klasse-Schlafwagenabteil in einem Nachtzug, der die italienische Westküste hinauffuhr. Wie klug, mit dem Zug zu fahren. Da musste die Golftasche nicht durch einen Gepäckscanner.
Holly brauchte sich keine Gedanken um Gepäckscanner oder sonstige Sicherheitsvorkehrungen der Oberirdischen zu machen. In ihrem Vibrationsanzug war sie für sämtliche Strahlen unsichtbar, mit denen die Grenzpolizei ihre Kontrollen durchführte. Eine Elfe mit Sichtschild war höchstens durch einen Zufallstreffer mit einem Stein aufzuspüren, und dann bestand immer noch die Gefahr, dafür eine unsichtbare Ohrfeige zu kassieren.
Holly schlich sich in das Schlafwagenabteil und bezog auf einer freien Gepäckablage über dem Kopf des Mädchens Stellung. Unter ihr lehnten die drei Männer die Golftasche gegen den Tisch und starrten das klobige Ding an, als ob es jeden Moment explodieren könnte.
Drei Männer und ein Mädchen. Eigentlich wäre es kein Problem für Holly, sie sich zu schnappen. Sie könnte sie mit ihrer Neutrino betäuben, und Foaly bräuchte bloß seine Spezis raufzuschicken, um eine Erinnerungslöschung vorzunehmen. Alles drängte Holly dazu, den armen Dämon zu befreien. Ein paar Sekunden, und die Sache wäre über die Bühne. Das Einzige, was sie bremste, waren die Stimmen in ihrem Kopf. Die eine gehörte Foaly, die andere Artemis.
»Bleib auf Position, Holly«, wies der Zentaur sie an. »Wir müssen
Weitere Kostenlose Bücher