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Die Verlorene Kolonie

Die Verlorene Kolonie

Titel: Die Verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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ein... wie einer von den Guten! Für Sie ist bei alldem doch nichts zu holen.«
    Artemis stand jetzt nicht der Sinn nach philosophischen Erwägungen. »Wie H. P. Woodman schon sagte, alter Freund: Die Zeit bleibt nicht stehn, und so müssen wir gehn. Holly, schnallen Sie uns an Ihren Gürtel, alle außer Butler und Minerva.«
    Holly nickte, noch immer etwas angeschlagen. Sie zog mehrere Enterhaken aus dem Gürtel und wünschte, Foaly hätte ihr einen seiner Moonbelts mitgegeben, die alles, was daran befestigt war, auf ein Fünftel des ursprünglichen Gewichts reduzierten. »Unter den Armen hindurch«, wies sie Nr. 1 an. »Und dann wieder an der Schlaufe einhaken.«
    Butler half Artemis mit seinem Seil. »Jetzt reicht's, Artemis. Ich habe endgültig die Nase voll. Wenn wir nach Hause kommen, trete ich in den Ruhestand. Ich bin älter, als ich aussehe, und ich fühle mich älter, als ich bin. Schluss mit Ihren ›Projekten‹. Verstanden?«
    Artemis zwang sich zu einem Lächeln. »Ich fliege doch nur bis zum nächsten Gebäude. Wenn ich es nicht schaffe, die Bombe zu entschärfen, kann Holly damit aufs Meer rausfliegen und versuchen, eine sichere Abwurfstelle zu finden.«
    Beide wussten, dass Artemis log. Wenn es ihm nicht gelang, die Bombe zu entschärfen, war keine Zeit mehr, einen sicheren Abwurfort zu suchen.
    »Hier«, sagte Butler und reichte ihm eine flache Ledertasche. »Die Dietriche. So kommen Sie wenigstens an den Mechanismus heran.«
    »Danke, alter Freund.«
    Holly war beladen bis unters Kinn. Nr. 1 und Qwan hingen ihr an der Taille, während Artemis an ihre Vorderseite geschnallt war.
    »Okay. Sind alle startklar?«
    »Ich wünschte, meine Magie käme endlich in Gang«, grummelte Qwan. »Dann würde ich mich wieder in eine Statue zurückverwandeln.«
    »Ich habe Angst«, sagte Nr. 1. »Schiss. Muffe. Fracksausen.«
    »Umgangssprachliche Ausdrücke«, sagte Artemis. »Sehr gut.«
    Butler schloss den Koffer. »Bis zum nächsten Gebäude. Weiter brauchen Sie nicht zu fliegen. Nehmen Sie die Schalttafel ab und kümmern Sie sich direkt um den Sprengsatz. Wenn's nicht anders geht, reißen Sie den Zünder raus.«
    »Verstanden.«
    »Gut. Ich sage nicht Lebwohl, nur alles Gute. Wir sehen uns, sobald ich uns hier rausmanövriert habe.«
    »Also in einer halben Stunde. Spätestens.«
    Bis zu diesem Moment hatte Minerva mit betretener Miene danebengestanden. Jetzt trat sie vor. »Es tut mir leid, Artemis. Ich hätte nicht in Mister Kongs Nähe gehen dürfen.«
    Butler hob sie einfach hoch. »Nein, hättest du nicht, aber dafür ist es jetzt zu spät. Stell dich bitte neben die Tür und schau unschuldig drein.«
    »Aber ich -«
    »Unschuldig! Sofort!«
    Minerva gehorchte. Ausnahmsweise sah sie ein, dass jetzt nicht der richtige Moment für Diskussionen war.
    »Alles klar, Holly«, sagte Artemis. »Heben Sie ab.«
    »Testlauf«, sagte Holly und aktivierte die Flügel. Anfangs hatte sie arg mit dem zusätzlichen Gewicht zu kämpfen, und der Motor klang auch nicht gerade vertrauenerweckend, aber nach einigen Sekunden siegte die Ausrüstung über die Schwerkraft und hob alle vier in die Luft.
    »Okay«, sagte Holly. »Ich glaube, wir können.«
    Butler bugsierte das fliegende Grüppchen auf ein Fenster zu. Das Ganze war so riskant, dass er gar nicht darüber nachdenken durfte. Aber Zaudern half jetzt nicht weiter. Es ging um Leben und Tod.
    Mit einem Ruck löste er den Sicherungshebel des Fensters. Die ganze zwei Meter breite Scheibe schwang auf, und der Höhenwind fegte heulend in den Raum. Schlagartig waren sie den Elementen ausgesetzt. Der Lärm war ohrenbetäubend, und es war kaum noch etwas zu erkennen.
    Holly stemmte sich gegen den Wind und flog mit ihrer Last nach draußen. Sie wären sofort davongerissen worden, hätte Butler sie nicht noch einen Moment festgehalten.
    »Fliegen Sie mit dem Wind«, rief er Holly zu und ließ los. »Und gehen Sie langsam runter.«
    Holly nickte. Ihr Flügelmotor geriet ins Stottern, und sie sackten zwei Meter ab.
    Artemis wurde flau im Magen. »Butler!« Gegen den Wind klang seine Stimme dünn und kindlich.
    »Ja, Artemis? Was ist?«
    »Falls etwas schiefgeht, warten Sie auf mich. Egal, wie es aussieht, ich komme wieder. Ich bringe sie alle zurück.«
    Butler wäre fast hinter ihm hergesprungen. »Was haben Sie vor, Artemis?«
    Artemis rief etwas zurück, doch der Wind riss die Worte mit, und der Leibwächter stand hilflos da, umrahmt von Stahl und Glas, und sah ihnen nach.
     
    *

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