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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckart Klessmann
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Dorfe angekommen, alles still;die Hochzeitsgäste waren plötzlich verschwunden und vermutlich in den nahen Wald geflüchtet, denn man bemerkte im Orte kein lebendes Wesen mehr. So hatten wir denn durch unser unvermutetes Erscheinen die ganze Hochzeit gestört, und der lauten Fröhlichkeit war plötzlich eine düstere Stille gefolgt; die armen Leute dauerten mich daher sehr, daß wir sie von ihrem Feste verscheucht hatten.«
    Endlich entdeckte das Regiment am 7. August einen günstigen Rastplatz, wo sich die Husaren drei Tage ausruhen durften: »Wir fanden auf den der Gutsherrschaft gehörigen Feldern noch die geschnittenen Korngarben in Haufen zusammengeschichtet, die als willkommene Beute gleich in Beschlag genommen wurden, während die Ähren den Pferden als Futter vorgelegt, das Stroh aber zur Errichtung von Hütten und zu Lagerstellen darin benutzt wurde. Eine solche Bequemlichkeit hatten wir uns lange nicht verschaffen können, weshalb auch gleich viele geschäftige Hände bemüht waren, Hütten zu bauen und sich wohnlich einzurichten. Unsere frohe Stimmung steigerte sich bis zur Fröhlichkeit, als noch eine der Gutsherrschaft ebenfalls gehörige Herde Schafe weggenommen und unter die Eskadrons verteilt worden war. Denn nun ging das Schlachten oder, richtiger gesagt, eine allgemeine Metzelei los: Man sah die Husaren überall eifrig beschäftigt, den abgestochenen Tieren die Eingeweide auszunehmen, das Fell abzuziehen, die mit dem Säbel abgehauenen Stücke Fleisch in die am Feuer stehenden Feldkessel zu legen und dann, nachdem es gar gekocht, dasselbe mit vielem Behagen zu verzehren. Von Krankheiten blieb das Regiment verschont.«
    Am 27. Juli hatten die Russen mit weit überlegenen Kräften bei Kobryn (47 Kilometer östlich von Brest-Litowsk) überraschend die Brigade des sächsischen Generalmajors Heinrich Christian von Klengel angegriffen; die Sachsen hatten an Verlusten 109 Tote, 164 Verwundete und 2054 Gefangene hinzunehmen. Der Sieger General Tormassow behandelte die Gefangenen mit Höflichkeit und Respekt; die 62 Offiziere durftensogar ihren Degen behalten. Alle Gefangenen brachte man nach Kiew, wo die Offiziere bei Bürgern einquartiert, die 1992 Mannschaften in leerstehende Kasernen untergebracht und vorbildlich mit ihnen umgegangen wurde. »Zu besonderen Klagen war in unserer traurigen Lage keine Veranlassung vorhanden«, schrieb später der Infanterie-Major Friedrich August von Bevilaqua.
    »Durch das Unglück von Kobryn war die ganze Eröffnung des Feldzugs verfehlt«, schreibt Ferdinand von Funck. General Reynier, nur etwa 14 Kilometer entfernt, hatte zwar den anhaltenden Kanonendonner gehört, doch keinen Finger gerührt, dem bedrängten Generalmajor von Klengel zu Hilfe zu kommen. Die Kritik an diesem unglaublichen Verhalten war einmütig. Und Reynier konnte von Glück sagen, daß Tormassow seinen Sieg nicht ausnutzte, da ihm nur weit unterlegene sächsische Einheiten gegenüberstanden. Vielmehr zog er sich hinter den Styr zurück und wartete ab. Das 7. Korps aber zog sich auf Slonim zurück.
    In Rozana wurde am 31. Juli ein Rasttag eingelegt. Rozana gehörte zur Herrschaft des polnischen Fürsten Alexander Sapieha, eines der treuesten Gefolgsleute Napoleons. Das aber wurde ihm jetzt schlecht vergolten, denn die räuberische französische Intendanz bemächtigte sich sofort seines Schlosses (Sapieha war zu dieser Zeit nicht in Rozana) und konfiszierte dort als erstes einen Bestand von 500 Flaschen der erlesensten Weine, außerdem alle Wagen und Pferde. Aber das war erst der Anfang. Mit welcher Gerissenheit und Skrupellosigkeit die französische Heeresverwaltung vorging, hat von Funck eindrucksvoll geschildert: »Wohin der große Vorrat an Wein usw., die Requisitionen vieler Zentner Zucker, Kaffee, Reis, Wachslichter u. ä. kamen, erfuhr niemand. Später entdeckten wir, daß die Juden das, was man nicht fortbringen konnte, zu einem ihnen bestimmten Preise wiederkaufen mußten und dann erst die Erlaubnis erhielten, an die Armee zu einem beliebigen Preise zu verkaufen. Wenn wir in einen Ort einrückten,war für bares Geld auch um den höchsten Preis nichts zu haben, weil die Juden nicht handeln durften. Blieben wir einige Tage und hatten sie sich mit dem Intendanten verglichen, dann wurde der Markt eröffnet; wir mußten aber z. B. den Kaffee das sächsische Pfund mit 2 Talern bezahlen und alles übrige nach Verhältnis. – Der Rittmeister Probsthayn und die Eskorte wurden besonders dazu gebraucht.

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