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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckart Klessmann
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den Bewachern, Major Paul Petrowitsch Buligin, »dessen schwarzbraunes Gesichtmit funkelnden Augen und buschigen Augenbrauen«, schreibt Rüppell, »eher einen Kalabresen als einen Russen hätte vermuten lassen; seine feinen Manieren und sein vorzüglicher Charakter gewannen ihm gleich unser ganzes Zutrauen. Er ließ sich alle Offiziere vorstellen, besah sich die Mannschaft des ganzen Transports und leistete bei den traurigen Zuständen, in denen wir uns befanden, nach Möglichkeit Abhilfe; er sorgte für einige hundert Capotmäntel (Kapuzenmäntel) , die den Hilfsbedürftigsten gegeben wurden, und um die Offiziere mit Kleidung zu versehen, ließ er von seinem nahe gelegenen Landgute seine ganze Garderobe, bestehend aus schönen Oberröcken, Fracks, Pantalons und schöner Leibwäsche, herbeiholen und verteilte sie. Ich weiß nicht, ob sich in Deutschland bei gleicher Veranlassung ein solches Beispiel von Edelmut und Uneigennützigkeit fände.«
    Der Weg der Gefangenen führte immer tiefer ins winterliche, froststarre Rußland hinein: »Es war höchstens sieben Stunden lang Tag und der Himmel in dichte Schneewolken gehüllt. Die Felder bildeten eine glänzende Eisdecke, ebenso Flüsse und Seen, so daß unsere Fuhrleute oft die Straße ganz verließen und querfeldein kürzere Wege einschlugen; so traf es sich einmal, daß wir beinahe anderthalb Tage auf der Oka, einem großen Flusse, hinabfuhren. Kamen wir an Dörfer, so vermieden wir den schlechten Weg durch diese und fuhren um sie herum. Hier hatten wir dann gewöhnlich den ergötzlichen Anblick, daß die in ihren Badestuben sitzenden Bauerndirnen ihren 30 Grad heißen Behälter, rot wie die Krebse, verließen, sich einige Male im Schnee herumwälzten und dann wieder ihrem Schwitzbade zueilten; dies verschaffte uns Gelegenheit, manche schöne kräftige Gestalt zu bewundern, ein Schauspiel, um das uns die vaterländischen Dandys gewiß beneidet haben würden. Es ist charakteristisch, daß die sittigsten Russen in solchen Extravaganzen gar nichts finden und noch viel weniger diese Bäuerinnen selbst, die in ihrem häuslichen Leben sehr züchtiger Natur sind. In den größerenStädten gibt es öffentliche Badestuben, wo Männer, Weiber, Mädchen, Kinder und Greise harmlos nebeneinanderstehen, ihren Körper reinigen und dann ihrer Wege gehen.«
    Daß der Transport der Gefangenen, der scheinbar kein Ziel zu kennen schien, immer tiefer in die winterliche Kälte führte und ihr inzwischen täglich fünf bis zehn Gefangene erlagen, ließ die Russen gleichgültig. Erst in Orenburg war man am Ziel. Hier wurden die Gefangenen in einer »ziemlich guten Kaserne« untergebracht, bekamen warme Decken und warmes Essen und durften sich in der Stadt frei bewegen. Russische Offiziere besuchten ihre Gegner; ein junger Artillerie-Offizier, »ein großer Verehrer Napoleons«, zeigte Rüppell die Stadt. Doch auch hier konnten sie nicht lange bleiben, sondern wurden nach Busuluk gefahren, wo sich der dort ansässige Adel der Offiziere annahm, die bald ein Leben mit Festen und Vergnügungen führten, das sie ihren Status als Gefangene vergessen ließ. Im Frühjahr 1813 brachte man Rüppell nach Saratow an der Wolga, wo 400 Offiziere aus der ganzen Armee interniert waren, Franzosen, Württemberger, Bayern, alle gut untergebracht, gut verpflegt und bei völliger Bewegungsfreiheit. Hier machte Rüppell die Bekanntschaft des gleichfalls in Gefangenschaft geratenen Leutnants Carl Graf Wedel. Anfang 1814 wurde Rüppell entlassen, da das Königreich Westphalen nicht mehr existierte, und kam glücklich in seiner Heimatstadt Kassel an. Alles in allem hatte er es recht gut gehabt.
    Das galt in noch reicherem Maß für einen Leutnant vom sächsischen Infanterie-Regiment »König« (7. Armeekorps), der am 27. Juli bei der Kapitulation der Brigade von Klengel bei Kobrin in russische Kriegsgefangenschaft geraten war. Er ist als Verfasser seiner Erinnerungen aus der russsichen Gefangenschaft 1812 und 1813 aus unbekannten Gründen anonym geblieben. Er und die anderen gefangenen Offiziere des Regiments wurden nach Kiew gebracht, wo man sie zum Teil in Privathäusern einquartierte. Ausbrechende Seuchenbetrafen nur die wesentlich schlechter untergebrachten Mannschaften, von denen einige hundert starben. Später im Jahr bezogen die Offiziere Quartiere in Korinowka unweit Kiews. Da sie schon kurz nach ihrer Gefangennahme ihr Ehrenwort gegeben hatten, nicht zu fliehen, hatten sie sich in Kiew frei bewegen

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