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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckart Klessmann
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wohl auch zutreffender: »Von Seite des Feindes hatten wir ziemliche Ruhe, und nur der Vorpostendienst war uns noch beschwerlich. Dagegen nahm aber die Hungersnot, die Erkrankung und das Elend überhaupt von Tag zu Tag auf eine so furchtbare Weise überhand, daß der Abgang des bayerischen Korps täglich 60–80 Mann betrug. Bereits hatten wir schon seit 3 Monaten keinen Bissen Brot mehr genossen; das schlechte und unkräftige Fleisch ward uns zudem sparsam zugemessen. Mit einem Trunke guten Wassers konnten wir unseren immerwährenden Durst löschen, denn wir hatten kein anderes als das trübe Düna-Wasser. Von diesem Wasser, in welches oberhalb unseres Lagers, in Polozk täglich wenigstens 200 Leichen geworfen wurden, mußten wir zum Kochen und zum Trinken nehmen. Von dem außerordentlichen Hunger geplagt, holten sich unsere Soldaten von der Feldschlächterei, welche nicht weit hinter unserer Linie war, das Eingeweide des geschlachteten Viehs, welches weiter rückwärts auf dem Feldelag und schon einige Tage der Sonne und der Luft ausgesetzt war, kochten und aßen es mit einem wahren Heißhunger. Dieses sowie der Genuß unreifer Kartoffeln und des schlechten Wassers erzeugten in unserem Heerteile die Diarrhoe und Erschlaffung des Körpers in einem so furchtbar hohen Grade, daß unsere Soldaten vor Ermattung sich kaum mehr fortschleppen konnten und daß viele derselben, welche auf die weit hinter der Front angebrachten Latrinen gingen, nicht wieder von dort zurückgekehrt, sondern dort gestorben sind.«
    Bei allem unbestreitbaren Improvisationstalent der Franzosen: Solche Muße, wie sie Marbot schildert, war doch nur wenigen Einheiten vergönnt. Von Riga bis nach Polozk erstreckte sich eine Defensivstellung längs der Düna, gehalten vom 10. Armeekorps (Marschall Alexandre Macdonald), dem 2. Armeekorps (Marschall Charles Nicolas Oudinot) und dem 6. Armeekorps (Marschall Laurant de Gouvion Saint-Cyr). Hier kam es nur gelegentlich zu kleineren Gefechten. Erst vom 16. bis 18. August (also zeitgleich mit den Kämpfen um Smolensk) kam es bei Polozk an der Düna, 95 Kilometer nordwestlich von Witebsk, zu einer Schlacht zwischen den Russen unter General Graf Wittgenstein und dem 6. Armeekorps, die mit einem Sieg der Grande Armée endete und dem kommandierenden französischen General Saint-Cyr die Ernennung zum Marschall von Frankreich brachte. Doch Napoleons Hauptarmee hatte auf der Straße nach Moskau nach wie vor die täglichen Gewaltmärsche zu leisten und war, da der Nachschub längst nicht mehr existierte, auf das Fouragieren angewiesen. Das bedeutete, in die rechts und links der Heerstraße befindliche Umgegend Soldaten zu schicken, die bei den Bauern Nahrungsmittel requirierten. Auch wenn die russische Armee besser verpflegt war: Ganz auf das Requirieren verzichten konnten sie ebenfalls nicht. So war das Land im weiten Umkreis ausgeplündert, die Dörfer längs der Straße von den Russen niedergebrannt, und die Bauern hatten sich mit ihrem Vieh weit ins Landesinnere geflüchtet. Kleine Kommandos der Invasoren kamen oft nicht mehr zurück, da sie von Bauern erschlagen worden waren. Im Verlauf des Vormarsches sandte man deshalb zu ihrem eigenen Schutz immer mehr größere Kommandos aus.
    Christian Wilhelm von Faber du Faur: Im Biwak bei Maliaty, den 5. Juli 1812. – Vom 2. bis 9. Juli rastete das 3. Armeekorps in der Nähe des Städtchens Maliaty. Württembergische Soldaten handeln mit einer Gruppe Juden.
    Als Leutnant Karl von Kurz am 17. Juli mit einem Kommando von 30 Soldaten nach einer über acht Stunden dauernden Fourage von einem Adelssitz, der noch gut mit allem versorgt war, in das bereits erwähnte Lager von Maliaty zurückkehrte, hatte er zwölf kleine russische Bauernwagen mitgebracht, beladen »mit dem in den Wirtschaftsgebäuden in Menge vorgefundenen Weizen und Roggen«, außerdem »dreißig Laibe gebackenes Brot, Eier, Butter und Schmalz in Menge, einige Hühner- und Gänseställe, bevölkert mit ihren Bewohnern«. Aus dem Keller des Landsitzes hatte man Branntwein, geräuchertes Fleisch »und ein Dutzend Milchtöpfe« mitgenommen. Als Entschädigung hatte Leutnant von Kurz auf dem Schreibtisch des Adligen immerhin eine in deutscher undfranzösischer Sprache ausgestellte Quittung zurückgelassen: »mit dem ungefähr doppelten Anschlag von 1000 Rubel alles dessen, was ich geladen hatte«.
    Doch so einfach sollte es dieses Mal nicht abgehen, denn der ausgeraubte Landedelmann kehrte an der Spitze von 200

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