Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckart Klessmann
Vom Netzwerk:
Sümpfe; darin stecke ich, und nichts auf der Welt, bis auf den Anblick einer Landkarte, erinnert mich an meine Hügel.
    Kannst Du Dir vorstellen, daß es mir große Freude bereitet, offizielle Angelegenheiten zu regeln, die Italien betreffen? Drei oder vier oblagen mir, die meine Phantasie wie ein Roman beschäftigten, selbst als sie schon erledigt waren. (…) Ich hatte ein einzelnes Hindernis zu durchqueren, die Gegend von Wilna, in Bojardowiskoma (bei Krasnoje), wohin ich stieß, als diese Gegend noch nicht organisiert war. Ich litt ungeheure körperliche Qualen. Um überhaupt anzukommen, habe ich meine Kutsche zurückgelassen, und diese Kutsche erreichte mich nicht mehr. Möglicherweise wurde sie ausgeplündert. Für mich persönlich wäre das nur ein halbes Unglück, verlorengegangene Sachen für ungefähr 4000 Francs und die Unbequemlichkeiten, aber ich hatte die Sachen aller anderen bei mir. Nun muß ich den Leuten dumme Erklärungen geben!
    Das hat jedoch keinen Einfluß auf mein Befinden, von dem ich Dir erzählte. Ich werde alt. Es liegt nur an mir, rührigerzu sein als alle anderen Leute in meiner Kanzlei, in der ich den ganzen Tag nur Plattitüden höre, aber es macht mir keinen Spaß.«
    In der Garnison Danzig, die einige hundert Kilometer vom Kriegsschauplatz entfernt liegt, ist die Stimmung der Soldaten nicht weniger trübe, wie dem Brief des einundzwanzigjährigen Füsiliers Johann Christoph Glinzing aus dem lippischen Lemgo in rührend-schlichtem Ton – so ganz anders als dem Stendhals – zu entnehmen ist: »Liebe Eltern«, schreibt er am 25. August nach Lemgo (Fürstentum Lippe): »Ihr Schreiben habe ich richtig erhalten und daraus ersehn, daß Sie noch alle gesund sind. Ich bin Gott sei gedankt, noch recht gesund. Auch habe ich aus den Briefen ersehn, daß die Mutter (seine Stiefmutter) einen kleinen Sohn erhalten habe, welches mir eine sehr große Freude ist, und der Herr wird ihn auch wachsen lassen zu seiner Ehre und zu Ihrer Freude. Auch habe ich die Louisdor richtig erhalten, solches mir aber sehr unangenehm ist, dieweil ich Sie noch von keinem Gelde geschrieben habe. Sie müssen nicht in der Meinung sein, daß ich ein Verschwender bin. Ich habe noch beinahe fünf Louisdor bei mir, und wenn ich gesund bleibe, so verdiene ich alle Tage etwas. Wir haben kürzlich von unserem Hauptmann eine Rechnung ausgezahlt gekriegt von siebenzehn Taler für Arbeit, wovon ich 9 sg (Silbergroschen) erhalten habe, dieweil wir vermutlich bald nach der Großen Armee müssen, daß wir bald daran kommen können, denn es sieht bei uns schlecht aus. Alle Tage werden Russen nach Danzig gebracht, die der Franzose gefangen gekriegt hat. Unsere Kompanie liegt auf einer Insel an der See. Wir müssen den Schiffers helfen, wenn sie sich festgefahren haben auf den Hafen ( Haff ), daß sie wieder loskommen. Den Hafen nennt man die Weichsel. Es ist 14 Stunden von Danzig. Wir liegen in einem Quartier auch, die Schneiders auch. Aber die Soldaten liegen in einer Scheune. Auf der bloßen Erde müssen sie Tag und Nacht sein. Sie werden meist alle krank und kriegen das Fieber. Dann werden sie nach Danziggeschickt. Auch Schnitgers Fritze hat auch das Fieber. Er liegt in Danzig im Hospital. Er sähe ganz elend aus. Wir hoffen immer von einer Zeit zur andern, daß es bald Frieden werden sollte, daß wir wieder zurückkämen nach unsern Vaterlande. Ich denke, der Herr wird unser Flehen erhören, ich denke, nach einer traurigen Nacht folgt ein schöner Morgen, ein Morgen, der uns mit Sie erfreuen wird, denn wir sind jetzt in einen ganz elenden Stande. Alles, was man sonst kauft, ist sehr teuer und nicht mal für Geld etwas kriegen, und in Danzig ist es sehr schlecht in die Kasernen. Wir haben vier Wochen in Danzig gelegen in die Kasernen und 6 Wochen auf der Insel, aber wenn wir nach der Armee sollten, da müssen auch bald vor Hunger sterben. Alles wird aus Danzig hingeliefert, die Magazins sind bald leer. In Danzig sind 30 Kirchen, wo sie jetzt man 2 mehr von gebrauchen zum Gottesdienst. Die andern hat der Franzose alle gebraucht zu Magazins. Danzig ist eine kleine Stadt, nicht viel größer wie Lemgo, auch nicht sehr schön, aber sehr stark gebaut. Es ist eine starke Festung. Liebe Eltern, ich weiß Sie vor diese Mal nichts Neues zu schreiben. Ich verharre und verbleibe Ihr getreuer Sohn Johann Christoph Glinzing.« Dieser Brief zeigt nicht nur die miserable Stimmung der Soldaten, sondern daß selbst in einer so gut ausgestatteten

Weitere Kostenlose Bücher