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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckart Klessmann
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ihre Schläge vernichten alle. Die Wirkung dieser Gerüchte auf die Bauern ist frappierend: mit der größten Kaltblütigkeit zünden sie ihre Hütten an, um sie nicht dem Feind zu überlassen. Man sieht nur Beklommenheit, Trauer und Misere.«
    Nachdem die russische Armee Wjasma passiert hatte, vermerktUxkull zufrieden: »Vorräte gibt es genug und im Überfluß, da wir die Stadt geplündert haben.« Geplündert und angezündet. Damit hatte man am 29. August die Kosaken beauftragt, doch zu spät: Einheiten der französischen Garde konnten das Feuer wenigstens teilweise löschen, wobei die Franzosen noch größere Bestände an Korn, Mehl und Branntwein retten konnten. »Aus den Mitteilungen einiger in ihren Häusern verbliebenen Einwohner«, schreibt Armand de Caulaincourt, »und vor allem eines sehr intelligenten Bäckerjungen gewann man volle Klarheit: alle Vorbereitungen zum Anlegen des Feuers und zu seiner Ausbreitung waren lange vor unserer Ankunft von einer Abteilung Kosaken der Nachhut getroffen, und das Feuer wurde angesteckt, sobald wir in Sicht kamen. Tatsache ist, daß man in verschiedenen Häusern, besonders in denen, die irgendwelche Vorräte enthielten, Material zur Brandstiftung fand, das planmäßig hergestellt und zu diesem Zweck bereitgehalten war.«
    Entsetzt stellten die mit den Löscharbeiten beschäftigten Soldaten der Kaisergarde fest, daß die Russen beim Niederbrennen nicht einmal Rücksicht auf ihre eigenen zurückgelassenen Verwundeten genommen hatten, wie Leutnant Coignet bestätigt: »Ohne Erbarmen hatten die Russen selbst die Hütten in Brand gesteckt, in denen ihre eigenen Verwundeten Unterkunft gesucht hatten. Wir fanden die verkohlten Überreste der Unglücklichen. Bei manchen sah man noch, daß sie amputiert und verbunden gewesen waren. Da man sie schließlich aber nicht hatte fortschaffen können, hatte man sie auf diese schreckliche Art ins Jenseits befördert.«
    Da sich die Einwohner der Städte mehr oder weniger freiwillig der abziehenden russischen Armee anschließen mußten, kam es auf der Heerstraße nach Moskau zu einigem Durcheinander. »Der ganze Weg war ununterbrochen bedeckt mit Kutschen und Fuhrwerken aller Art, in denen sich der Adel und das Landvolk vor dem vordringenden Feinde retteten«, beobachtete Leutnant Eduard von Löwenstern, derseinen schwerkranken General Graf Pahlen in Sicherheit bringen mußte. »Diese Karawanen gewährten einen höchst sonderbaren Anblick; mehrere emigrierte Familien schlossen sich an und formierten auf diese Weise eigene Tribus, die sich in allen Unglücksfällen treulich beistanden; langsam ging dieser Zug den Tag über vorwärts, um den Abend und die Nacht über ein bizarres Biwak zu bilden, wo alle Weiber und Greise mit hübschen Mädchen und bärtigen Kutschern, Bauern, betrunkenen Bedienten, Poltrons, Blessierten und allerhand Volk in buntem Gewühl den Aufgang der Sonne erwarteten, um ihre Reise weiter fortzusetzen.«
    Nach der Einnahme Wjasmas besetzte die Grande Armée am 2. September das Städtchen Gschatsk, noch ehe es den Russen gelang, Feuer zu legen. So durften sich die Soldaten auf die unversehrten russischen Lagerbestände freuen, doch es kam anders. Wieder einmal durfte zunächst nur die wie immer privilegierte Garde einrücken und bekam die Erlaubnis, die verlassene Stadt zu plündern. Dabei brach Feuer aus, das ganz Gschatsk einäscherte, auch die gutgefüllten Lebensmitteldepots. Nur in Wilna, Minsk und Mohilew war man so glücklich gewesen, die russischen Lebensmittelmagazine vor dem Feuer bewahren zu können. Und die Westphalen des 8. Armeekorps hatten das unverhoffte Glück, außerhalb von Gschatsk, an der Straße nach Moskau, ein großes Salz-Magazin zu entdecken und sich mit dieser Kostbarkeit zu versorgen, denn Salz war seit Kriegsbeginn eine Rarität geworden. Suppen und den üblichen Mehlbrei würzte man mittlerweile nur mit Schießpulver.
    Nachdem am 4. September die russische Nachhut bei Gridnewo und am 5. bei Schewardino geschlagen worden war, sammelte Oberbefehlshaber Kutusow die beiden russischen Armeen 125 Kilometer vor Moskau zu der von Napoleon so lang ersehnten Entscheidungsschlacht. Kutusows Tagesbefehl lautete: »Denkt an eure Frauen und Kinder, die auf euren Schutz zählen. Denkt an euren Kaiser, der mit euch ist. Bevormorgen die Sonne untergegangen ist, werdet ihr mit dem Blut des Feindes das Zeugnis eures Glaubens und eurer Vaterlandsliebe auf dieses Feld geschrieben haben.«

8. DIE SCHLACHT VON

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